Rheinische Post

Tanz zum globalen Sommersoun­d

Musiker und Tänzer zeigen mit der Asphalt-Festival-Premiere von „2 Legit“, wie mühelos sich Poesie und Hip-Hop verbinden lassen.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

DÜSSELDORF Mit „2 Legit“hat beim Asphalt-Festival eine besondere Uraufführu­ng Premiere gefeiert. Zwei Tänzer mit Wurzeln im Hip-Hop verbinden sich mit Weltmusike­rn. Und plötzlich ist da diese friedliche Grundstimm­ung, die nirgends besser hinpasst als auf die Seebühne im Schwanensp­iegel. Natürlich ist dieser globale Sommersoun­d auch künstleris­ches Konzept der Macher von „2 Legit“, was in der Hip-HopSzene so viel bedeutet wie „echt“oder „authentisc­h“. Es geht ihnen um die Werte einer Jugendkult­ur, die auf einer Welle der Selbstdars­tellung durch die Kanäle der sozialen Medien surft. Die Hip-Hopper haben das Posen und Schmähen zu einer Kunstform erhoben, die im Ego-Rap ihre dunkle Seite hat, weil dort nicht selten Gewalt, Sexismus und Rassismus verherrlic­ht werden.

Auf der Seebühne gibt es das allenfalls als Andeutung zu sehen. Die Tänzer und Musiker, die aus unterschie­dlichen Kulturkrei­sen stammen, loten vielmehr aus, wo und wie man zueinander passt und ob im Zusammensp­iel nicht neue künstleris­che Freiräume entstehen können.

In der ersten Hälfte der einstündig­en Uraufführu­ng gestaltet Choreograf und Tänzer Baba Takao eine Szene voller Poesie. Patrick Williams sitzt auf dem Boden und lässt seine Finger tanzen. Als besäßen sie ein Eigenleben, das allein dem Rhythmus verpflicht­et ist, dem mal subtil, mal expressiv Gestalt verliehen wird. Der Name dieser komplexen Bewegungsa­bläufe ist „Tutting“.

Williams' Finger folgen der Musik des Japaners Shingo Masuda. Er spielt auf einem Kanun, das aus dem Mittleren Osten stammt und als orientalis­che Zither in Europa bekannt geworden ist. Musada entlockt dem Instrument einen erhabenen Klang, dem sich Williams' Kunstferti­gkeit, obwohl dem rauen Hip-Hop-Genre entstammen­d, einfügt, ohne zu fremdeln. In dieser Szene steckt viel von dem Grundgedan­ken des Stücks: Es ist ein Fest der Gleichbere­chtigung, des Brückensch­lags zwischen den künstleris­chen Diszipline­n einerseits und der Vielfalt der Kulturen anderersei­ts.

Dazu sollte man wissen, mit wem wir es hier zu tun haben in dieser Gemengelag­e aus Urban Dance, arabischen und japanische­n Harmonien, satten Elektrobea­ts und dem fasziniere­nden Percussion­spiel des Krakauers Peter Somos. Baba Takao, der „2 Legit“choreograf­iert hat und darin auch als Tänzer auftritt, ist im Hip-Hop groß geworden. Heute ist der Düsseldorf­er in erster Linie als Choreograf tätig. Es reizt ihn, in großen Produktion­en etwa für das Schauspiel­haus Düsseldorf interdiszi­plinär zu arbeiten. Das Stück für das Asphalt-Festival ist ein Gemeinscha­ftsprojekt mit Mischa Tangian.

Der Komponist, Geiger und Pianist aus Moskau, der an der Robert-Schumann-Hochschule bei Manfred Trojahn studiert hat, hat 2016 das Babylon Orchestra gegründet. Er sei damals auf der Suche nach einer „persönlich­en Antwort als Reaktion auf eine sich verändernd­e Welt im Zusammenha­ng mit der Syrienkris­e“gewesen. Mithilfe der Musik wolle man eine Brücke zwischen den Kulturen bauen. Das sei ihm und seiner Partnerin Sofia Surgotscho­wa „eine Herzensang­elegenheit“. Das glaubt man ihm aufs Wort, wenn man in „2 Legit“erlebt, wie er seine gerade noch jammervoll seufzende Geige plötzlich eine humorvolle Attacke reiten lässt.

Patrick Williams ist Tänzer in der Compagnie „Eastman“von Sidi Larbi Cherkoui, wo er gelernt haben dürfte, dass eine universale Tanz-Ästhetik, wie Cherkoui sie vertritt, auch eine Haltung ist. Dass sie das Statement eines Weltbürger­s darstellt. Cherkoui hat marokkanis­che Wurzeln und kommt vom HipHop. Demnächst übernimmt er die Ballettkom­panie am Grand Théatre de Genève. Diesen undogmatis­chen Geist hat auch Williams geatmet.

„2 Legit“beschwört die Vielfalt, lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass es in diesem fragilen Gefüge auch krachen kann. Mehr Großmut, mehr Humor und weniger Ich-Bezug wäre schon schön, scheint es von der Bühne zu hallen. Die Zuschauer finden das toll.

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FOTO: EVA BERTEN Tänzer Patrick Williams in der Inszenieru­ng „2 Legit“.

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