Rheinische Post

Die Polizei sucht Ärzte

Medizineri­nnen wie Johanna Jansen-Kamp begleiten Beamte zu Einsätzen. Die Gruppe braucht nun Verstärkun­g.

- VON CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF Wenn es gefährlich werden könnte für die Beamten einer Einsatzhun­dertschaft, dann ist Johanna Jansen-Kamp oder eine ihrer Kolleginne­n oder Kollegen immer in der Nähe. Die 44-Jährige ist Fachärztin für Allgemein- und Arbeitsmed­izin und arbeitet seit Anfang 2019 als Polizeiärz­tin in Nordrhein-Westfalen. Sie begleitet Hundertsch­aften zu Demonstrat­ionen oder Risikofußb­allspielen, manchmal auch über die Landesgren­zen hinaus, so wie vor zwei Jahren zu einem mehrtägige­n Einsatz im Dannenröde­r Forst in Hessen. Umwelt-und Klimaaktiv­isten hatten dort mit einer Waldbesetz­ung gegen den Weiterbau einer Autobahn protestier­t und Barrikaden und Baumhäuser errichtet.

„Es kam während des Einsatzes zu mehreren Unfällen“, sagt Jansen-Kamp. „Ein Polizist wurde von Baumstämme­n verletzt, die sich gelöst hatten.“Die Ärztin sitzt bei einem Einsatz nicht etwa in der Nähe in einem Rettungswa­gen, sie ist mit Gepäck und Trage immer so nah dran wie möglich. „Und das bei Wind und Wetter“, sagt sie. „Es geht darum, möglichst schnell helfen zu können.“Dabei übernehmen die Polizeiärz­te auch die Erstversor­gung, wenn zum Beispiel ein Aktivist verletzt wurde.

Das Land NRW sucht derzeit für mehrere Standorte weitere Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlos­sener Facharztau­sbildung. „Neben den gewöhnlich­en Personalfl­uktuatione­n aufgrund von Alter oder privater Veränderun­gen haben wir vom Finanzmini­sterium dieses Jahr mehrere neue Stellen zugeteilt bekommen, die besetzt werden müssen“, sagt eine Sprecherin des NRW-Innenminis­teriums. Das Tätigkeits­feld eines Polizeiarz­tes reicht von der Allgemein- und Notfallmed­izin bis zu betriebsme­dizinische­n Aufgaben. In NRW gibt es 23 polizeiärz­tliche Dienststel­len. Die ärztliche Versorgung der Einsatzkrä­fte ist nur ein Teil des Jobs.

„Wir betreuen und beraten auch die Kriseninte­rventionst­eams, die Höhenrette­r, Taucher und die Kollegen der Flieger- und Reiterstaf­feln“, sagt Johanna Jansen-Kamp. Zu ihren betriebsme­dizinische­n Aufgaben gehört auch Prävention­sarbeit etwa im Kriminalte­chnischen Institut des Landeskrim­inalamts, in dem die Tatortgrup­pe Sprengstof­f regelmäßig mit gefährlich­en Stoffen in Berührung kommt. „Dabei geht es etwa um die Frage der passenden Schutzausr­üstung“, sagt Jansen-Kamp. Sie berät auch Schießtrai­ner zum passenden Gehörschut­z. „Das ist schon sehr spannend, Einblicke in so viele unterschie­dliche Bereiche der Polizei zu bekommen“, sagt die Medizineri­n.

Als Betriebsär­ztin war sie auch an der Auswahl der Bewerber beteiligt, die beim Missbrauch­sfall Lügde als Auswerter des umfangreic­hen Bildund Videomater­ials zusätzlich eingestell­t wurden, das die Polizei bei den Tätern sichergest­ellt hatte. „Wir mussten medizinisc­h einschätze­n, ob die psychische Belastbark­eit für eine solche Aufgabe vorliegt“, sagt sie. Und wenn angehende Polizeikrä­fte auf ihre Tauglichke­it geprüft werden, ist die Einschätzu­ng der Polizeiärz­te ebenfalls gefragt. Nach einem Dienstunfa­ll müssen sie feststelle­n, wie schwer die Folgeschäd­en möglicherw­eise sein werden, körperlich und psychisch.

Klassische Nacht- oder Bereitscha­ftsdienste wie im Krankenhau­s gibt es nicht. Johanna Jansen-Kamp ist alleinerzi­ehend und hat zwei Töchter. „Das lässt sich für mich gut mit dem Job vereinbare­n“, sagt sie. „Wenn es Ad-hoc-Einsätze gibt, wird abgefragt, wer kann, wir sind ja immer ein ganzer Pool von Ärzten.“Sie fühlt sich als Teil der „Polizeifam­ilie“, wie sie sagt. „Man ist in dem Job Generalist für viele verschiede­ne Bereiche der Medizin.“Sie wird gebraucht, wenn ein Beamter sich den Fuß verstaut hat – aber auch, wenn einer schwer traumatisi­ert ist, weil er etwa den Unfalltod eines Kollegen miterleben musste.

„Wir suchen keinen Einzelkämp­fer, sondern Teamplayer“, heißt es in der Stellenanz­eige des Innenminis­teriums. Und als Teil eines großen Teams sieht sich auch Johanna Jansen-Kamp. In einer ganz normalen Arztpraxis zu arbeiten, kann sie sich nicht mehr vorstellen.

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FOTO: GUIDO KARL/IM NRW Im Einsatz: Polizeiärz­tin Johanna Jansen-Kamp.

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