Die Polizei sucht Ärzte
Medizinerinnen wie Johanna Jansen-Kamp begleiten Beamte zu Einsätzen. Die Gruppe braucht nun Verstärkung.
DÜSSELDORF Wenn es gefährlich werden könnte für die Beamten einer Einsatzhundertschaft, dann ist Johanna Jansen-Kamp oder eine ihrer Kolleginnen oder Kollegen immer in der Nähe. Die 44-Jährige ist Fachärztin für Allgemein- und Arbeitsmedizin und arbeitet seit Anfang 2019 als Polizeiärztin in Nordrhein-Westfalen. Sie begleitet Hundertschaften zu Demonstrationen oder Risikofußballspielen, manchmal auch über die Landesgrenzen hinaus, so wie vor zwei Jahren zu einem mehrtägigen Einsatz im Dannenröder Forst in Hessen. Umwelt-und Klimaaktivisten hatten dort mit einer Waldbesetzung gegen den Weiterbau einer Autobahn protestiert und Barrikaden und Baumhäuser errichtet.
„Es kam während des Einsatzes zu mehreren Unfällen“, sagt Jansen-Kamp. „Ein Polizist wurde von Baumstämmen verletzt, die sich gelöst hatten.“Die Ärztin sitzt bei einem Einsatz nicht etwa in der Nähe in einem Rettungswagen, sie ist mit Gepäck und Trage immer so nah dran wie möglich. „Und das bei Wind und Wetter“, sagt sie. „Es geht darum, möglichst schnell helfen zu können.“Dabei übernehmen die Polizeiärzte auch die Erstversorgung, wenn zum Beispiel ein Aktivist verletzt wurde.
Das Land NRW sucht derzeit für mehrere Standorte weitere Ärztinnen und Ärzte mit abgeschlossener Facharztausbildung. „Neben den gewöhnlichen Personalfluktuationen aufgrund von Alter oder privater Veränderungen haben wir vom Finanzministerium dieses Jahr mehrere neue Stellen zugeteilt bekommen, die besetzt werden müssen“, sagt eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Das Tätigkeitsfeld eines Polizeiarztes reicht von der Allgemein- und Notfallmedizin bis zu betriebsmedizinischen Aufgaben. In NRW gibt es 23 polizeiärztliche Dienststellen. Die ärztliche Versorgung der Einsatzkräfte ist nur ein Teil des Jobs.
„Wir betreuen und beraten auch die Kriseninterventionsteams, die Höhenretter, Taucher und die Kollegen der Flieger- und Reiterstaffeln“, sagt Johanna Jansen-Kamp. Zu ihren betriebsmedizinischen Aufgaben gehört auch Präventionsarbeit etwa im Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamts, in dem die Tatortgruppe Sprengstoff regelmäßig mit gefährlichen Stoffen in Berührung kommt. „Dabei geht es etwa um die Frage der passenden Schutzausrüstung“, sagt Jansen-Kamp. Sie berät auch Schießtrainer zum passenden Gehörschutz. „Das ist schon sehr spannend, Einblicke in so viele unterschiedliche Bereiche der Polizei zu bekommen“, sagt die Medizinerin.
Als Betriebsärztin war sie auch an der Auswahl der Bewerber beteiligt, die beim Missbrauchsfall Lügde als Auswerter des umfangreichen Bildund Videomaterials zusätzlich eingestellt wurden, das die Polizei bei den Tätern sichergestellt hatte. „Wir mussten medizinisch einschätzen, ob die psychische Belastbarkeit für eine solche Aufgabe vorliegt“, sagt sie. Und wenn angehende Polizeikräfte auf ihre Tauglichkeit geprüft werden, ist die Einschätzung der Polizeiärzte ebenfalls gefragt. Nach einem Dienstunfall müssen sie feststellen, wie schwer die Folgeschäden möglicherweise sein werden, körperlich und psychisch.
Klassische Nacht- oder Bereitschaftsdienste wie im Krankenhaus gibt es nicht. Johanna Jansen-Kamp ist alleinerziehend und hat zwei Töchter. „Das lässt sich für mich gut mit dem Job vereinbaren“, sagt sie. „Wenn es Ad-hoc-Einsätze gibt, wird abgefragt, wer kann, wir sind ja immer ein ganzer Pool von Ärzten.“Sie fühlt sich als Teil der „Polizeifamilie“, wie sie sagt. „Man ist in dem Job Generalist für viele verschiedene Bereiche der Medizin.“Sie wird gebraucht, wenn ein Beamter sich den Fuß verstaut hat – aber auch, wenn einer schwer traumatisiert ist, weil er etwa den Unfalltod eines Kollegen miterleben musste.
„Wir suchen keinen Einzelkämpfer, sondern Teamplayer“, heißt es in der Stellenanzeige des Innenministeriums. Und als Teil eines großen Teams sieht sich auch Johanna Jansen-Kamp. In einer ganz normalen Arztpraxis zu arbeiten, kann sie sich nicht mehr vorstellen.