Rheinische Post

Die Lambda-Variante breitet sich aus

Die WHO beobachtet, welche weiteren Virus-Mutanten gefährlich werden könnten. Im Fokus steht eine, die zuerst in Südamerika aufgetrete­n ist.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Während sich hierzuland­e gerade die Delta-Variante des Coronaviru­s rasant ausbreitet, stehen im Fokus der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO längst weitere Mutanten. Seit Mitte Juni wird Lambda von der WHO als „Variante von besonderem Interesse“geführt, das heißt, sie gilt noch nicht als „besorgnise­rregend“wie beispielsw­eise Delta oder Alpha. Bisher ist noch nicht erwiesen, ob die erstmals in Südamerika aufgetrete­ne Variante ansteckend­er ist, häufiger schwere Krankheits­verläufe verursacht und Impfstoffe gegen sie schlechter schützen. Dass sich die Aufmerksam­keit aktuell auf Lambda richtet, bedeutet auch nicht, dass bei der Bezeichnun­g der Mutanten Buchstaben des griechisch­en Alphabets ausgespart wurden. Sowohl die in den USA gefundene EpsilonVar­iante als auch Zeta, Eta, Theta, Iota und Kappa gelten als „Varianten von Interesse“.

Lambda steht jedoch bei Virologen weltweit unter besonderer Beobachtun­g. Zunächst nachgewies­en in Peru, tritt die Virusvaria­nte mittlerwei­le in rund 30 Ländern auf, darunter auch Deutschlan­d. Ihr Anteil hierzuland­e ist allerdings noch sehr gering und liegt laut Robert-Koch-Institut bislang gleichblei­bend bei 0,1 bis 0,2 Prozent, während sich die Delta-Variante im selben Zeitraum durchsetzt­e. In Peru machte die Lambda-Variante im Juni aber schon weit mehr als 80 Prozent aller Fälle aus. Im Dezember hatte ihr Anteil dort noch bei 0,5 Prozent gelegen – die Mutante hat sich dort also in relativ kurzer Zeit verbreitet. Auch 37 Prozent der Fälle in Argentinie­n und 32 Prozent der Fälle in Chile sollen laut BBC auf die auch als C.37 bezeichnet­e Variante zurückgehe­n. Meldungen über Infektione­n gibt es auch aus Kolumbien, Mexiko, Ecuador, aus den USA und aus Israel.

Infektione­n mit der LambdaMuta­nte scheinen bislang mit ähnlichen Symptomen zu verlaufen wie bei den anderen bekannten Varianten. Nach medizinisc­hen Berichten aus Peru wurden dort bei Patienten lediglich häufiger Darmproble­me gemeldet. Hinweise auf ein aggressive­res Verhalten des Virus gebe es demnach nicht. Auch der WHO liegen bislang keine belastbare­n Untersuchu­ngen darüber vor, ob Lambda ansteckend­er ist oder das menschlich­e Immunsyste­m schlechter dagegen gerüstet ist. Die Variante soll sechs neue Mutationen im Spike-Protein aufweisen, die auch den Aufbau des

Proteins verändern. Das geht aus einer noch nicht unabhängig begutachte­ten Studie auf Medrxiv hervor, einem Server für wissenscha­ftliche Publikatio­nen. Zudem sollen im ORF1a-Gen die gleichen Bausteine fehlen wie bei Alpha, Beta und Gamma. Dies lässt zumindest eine höhere Ansteckung vermuten, auch eine Impfstoffr­esistenz ist möglich. Laut einer ersten Studie sollen aber zumindest die mRNA-Impfstoffe gut gegen Lambda schützen. Untersucht wurde aber bislang nur im Labor, wie die durch die Impfung entwickelt­en Antikörper wirken.

Noch besteht also kein ernster Grund zur Besorgnis. Allerdings scheint die Lambda-Variante auch in Europa allmählich Fuß zu fassen. Neben den in Deutschlan­d nachgewies­enen Fällen sollen auch 80 Infektione­n in Kantabrien an der Nordküste Spaniens auf die Mutante zurückgehe­n. Auch Großbritan­nien meldet mehrere bestätigte Fälle, in denen Lambda sequenzier­t wurde. Laut dem Robert-Koch-Institut kursieren in Deutschlan­d die Varianten B.1.1.7 (Alpha), B.1.351 (Beta), P.1 (Gamma) und B.1.617.2 (Delta) – alle gelten als besorgnise­rregend. Weltweit verzeichne­t die WHO Fälle der Alpha-Variante in 173, Beta in 122, Gamma in 74 und Delta in 104 Ländern.

BERLIN Nur selten stehen die Wahlabsich­ten der Bürger bei den regelmäßig durchgefüh­rten Sonntagsfr­agen zur Bundestags­wahl schon klar fest. Bewegung ist immer. Manchmal auch sehr stark. So rauschte die Union bei den letzten Wahlen noch über sechs Prozentpun­kte nach unten, 2005 waren es sogar mehr als acht. Mit einem Power-Wahlkampf hatte es der damalige SPD-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder geschafft, die Werte für seine Partei um mehr als sieben Punkte nach oben zu pushen. Wäre die Wahl nur eine Woche später gewesen und hätte der Trend angehalten – Angela Merkel wäre nicht Kanzlerin geworden.

Den umgekehrte­n Weg absolviert­e SPD-Herausford­erer Rudolf Scharping 1994. Im Frühjahr lag seine SPD über 40, die Union von Helmut Kohl bei 35 Prozent. Bis zum Wahltag hatte Kohl das mehr als gedreht. Knapp wurde es für ihn nur, weil die Stimmen von SPD, Grünen und PDS zusammen fast an Union und FDP heranreich­ten; allerdings wäre ein solches Linksbündn­is damals vollkommen unrealisti­sch gewesen.

Das ist heute anders. Und deshalb ist die Antwort auf die Frage interessan­t, ob sich aus den letzten sechs Wahlen generelle Trends herauslese­n lassen, die mehr über die mögliche Stimmung am 26. September ahnen lassen. Nimmt man den Mittelwert der Prozentzah­len aus den Sonntagsfr­agen von Infratest Dimap (ARD) und Forschungs­gruppe Wahlen (ZDF) rund 75 Tage vor der jeweiligen Bundestags­wahl und vergleicht sie dann mit den jeweiligen Ergebnisse­n, ergibt sich als Trend, dass die Union fünfmal schlechter und einmal besser abschnitt, die SPD viermal schlechter und zweimal besser, die Grünen dreimal schlechter und dreimal besser und die FDP sowie die Linken je einmal schlechter und fünfmal besser. Die AfD hatte bislang zweimal bessere Ergebnisse als 75 Tage vorher ermittelt.

Projiziere­n wir diese Trends auf die aktuellen Umfragen, dann könnte die Union eher unter 27 als über 30 Prozent liegen, die SPD eher bei 15 als bei 20, die Grünen eher unter 17 als über 20, die FDP eher bei 13, die Linken bei neun und die AfD bei zwölf. Daraus wiederum ergibt sich, dass weder die große Koalition aus Union und SPD noch Schwarz-Grün eine Mehrheit bilden könnten. Auch für Rot-Grün-Rot oder Grün-Rot-Rot würde es nicht reichen. Nur zwei Dreier-Kombinatio­nen könnten die Mehrheit hinter sich bringen: Eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP sowie eine Deutschlan­d-Koalition aus Union, SPD und FDP, wie sie sich just wenige Wochen vor der Bundestags­wahl in Sachsen-Anhalt bilden könnte.

Doch lässt sich der Trend nur unter großen Vorbehalte­n übertragen. Zum einen mit Blick auf die Grünen, die mal zulegten, mal abnahmen. Zum anderen die Union, deren Sprünge nach oben oder unten mal groß und mal sehr klein waren.

Zudem unterschei­det sich diese Wahl fundamenta­l von allen zurücklieg­enden, wie Richard Hilmer, Geschäftsf­ührer des Meinungsfo­rschungsin­stituts Policy Matters, herausstel­lt. Erstmals trete eine amtierende Kanzlerin nicht wieder an. Früher sei es für die Wähler stets um die Alternativ­e zwischen Amtsinhabe­r und Herausford­erer gegangen. „Diesmal haben sie nur die Wahl zwischen Herausford­erern“, sagt Hilmer.

Zudem gebe es erstmals drei aussichtsr­eiche Bewerber, sodass es mehr als sonst auf die Performanc­e der Kandidaten in den Triellen ankomme. 75 Tage vor der Wahl sei auch immer noch weitgehend offen, welche Probleme bei der Wahlentsch­eidung im Vordergrun­d stehen werden. Hilmer: „Ist es die Klimapolit­ik, steigen die Chancen der Grünen, ist es die Bewältigun­g der Corona-Folgen

für die Wirtschaft, dürfte die Union profitiere­n, sind es Fragen sozialer Gerechtigk­eit, könnte dies der SPD Aufwind geben – und das Thema Migration, von dem vor allem die AfD profitiert, ist ebenfalls noch virulent.“

Unklar ist auch der Corona-Faktor, weitere Unwägbarke­iten kommen mit dem steigenden Anteil der Briefwähle­r ins Spiel. Schließlic­h finde die Wahl in einer Zeit zunehmende­r Polarisier­ung der Bevölkerun­g statt, die sich auch in einer wachsenden Skepsis gegenüber der Fähigkeit der Politik ausdrücke, die anstehende­n Probleme zu lösen. „Damit einher geht eine sinkende Parteibind­ung, was Vorhersage­n des Ausgangs der Wahl noch unsicherer macht“, lautet der Befund des Demoskopen.

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