Rheinische Post

Maximilian Schachmann hat in dieser Saison alles den Olympische­n Spielen untergeord­net.

Der deutsche Rad-Profi hat für eine perfekte Vorbereitu­ng auf die Spiele in Tokio sogar die Tour de France ausgelasse­n. Nun greift er nach seinem bisher größten Karriere-Erfolg.

- VON STEFAN DÖRING

DÜSSELDORF Es wird knallhart am ersten Wochenende. 234 Kilometer, 4865 Höhenmeter, ein Start in Tokio, eine Überfahrt des Fuji und das Ziel auf einer Rennstreck­e – das Straßenren­nen der Olympische­n Spiele 2021 hat es in sich. Ein Deutscher lässt sich davon aber nicht abschrecke­n und formuliert­e bereits vor Wochen das ganz große Ziel. „Ich fahre nach Tokio, um eine Medaille zu holen. Alles andere ist keine Option“, sagte Maximilian Schachmann nach seiner Nominierun­g für die Wettbewerb­e. Der Radprofi vom deutschen Rennstall Bora-hansgrohe hat dafür sogar die Tour de France ausgelasse­n, um sich perfekt auf das Rennen in Japan vorzuberei­ten – anders als Emanuel Buchmann, der wie Nikias Arndt und Simon Geschke neben Schachmann für Deutschlan­d ins Rennen gehen wird.

Die besten Chancen auf eine olympische Medaille dürfte aber tatsächlic­h der amtierende deutsche Meister Schachmann haben. Eine Woche vor dem Tour-Start sicherte er sich in der Nähe von Stuttgart zum zweiten Mal in seiner Karriere den nationalen Titel und unterstric­h seine gute Form. Diese hat er, während der Jahres-Rundfahrts-Höhepunkt in Frankreich über die Bühne ging, in der Sierra Nevada noch einmal versucht, zu verbessern. „Die Olympia-Vorbereitu­ng geht gut“, schrieb er und postete dazu ein Bild von sich auf dem Rad in den sozialen Netzwerken.

Wie gut sie ging, wird sich am 24. Juli zeigen, wenn Schachmann als einer von 130 Profis ins olympische Straßenren­nen gehen wird. Anders als bei normalen Wettkämpfe­n in einer Saison kann er sich dann nämlich nicht auf sein starkes Bora-Team verlassen. Wie bei einer Weltmeiste­rschaft startet nur eine Nationalma­nnschaft mit vier Fahrern – die anderen drei werden aber wohl angehalten sein, für ihren Kapitän zu arbeiten. Schließlic­h liegt das schwere Profil mit fünf Bergpässen dem Berliner, der als bisher einziger Deutscher die Einwochen-Rundfahrt Paris-Nizza bereits zweimal gewinnen konnte. Auch bei den legendären Frühjahrsk­lassikern kommt Schachmann stets gut zurecht. Er hat also schon häufiger unter Beweis gestellt, dass er gut über die Berge kommt und endschnell ist.

Bei den Spielen in Tokio dürften dies die wichtigste­n Eigenschaf­ten sein. Relativ schnell auf der insgesamt 234 Kilometer langen Strecke dürften Fluchtvers­uche das Bild des Rennens prägen. Die schwierigs­te Aufgabe für Schachmann dürfte dann lauten, in der richtigen Gruppe zu landen. Zu früh allein vorn wäre nicht gut, genauso wenig, wie die Gruppe des Tages zu verpassen. Schachmann gilt allerdings als hochintell­igenter Fahrer, der ein Rennen gut lesen kann.

So wie bei der Tour de Suisse Anfang Juni, bei der er zwar knapp das Podium verpasste, aber ein Ausrufezei­chen an die Konkurrenz schickte. In Tokio greift er dann nach den Sternen – und dem ersten deutschen Olympia-Sieg auf der Straße seit Jan Ullrich 2000 in Sydney.

Ein großer Konkurrent wird dann übrigens nicht am Start sein: der amtierende Weltmeiste­r Julian Alaphilipp­e, der bei der Tour de France am Start stand, verzichtet auf das Rennen in Tokio und bereitet sich lieber auf die WM im Herbst vor, um dort seinen Titel zu verteidige­n. Dabei hätte ihm der Klassiker-ähnliche Kurs in Japan durchaus gelegen. Glück für Schachmann?

Sollte es im Straßenrad-Rennen übrigens nicht klappen, hat der 27-Jährige noch eine weitere Chance auf eine Olympia-Medaille: Beim Einzelzeit­fahren. Schachmann gilt auch im Kampf gegen die Uhr als guter Fahrer, gewann in den vergangene­n Jahren bereits bei Rundfahrte­n solche Etappen. Und weil der Kurs bei den Olympische­n Spielen eben keiner für klassische Zeitfahrer wie Tony Martin ist, schickt der Bund Deutscher Radfahrer den Berliner auch am 28. Juli auf die Strecke rund um den Fuji Internatio­nal Speedway. 44,2 Kilometer über 845 Höhenmeter müssen dann überwunden werden. Auch das wird knallhart.

Schachmann hat also gleich zwei Chancen auf olympische­s Edelmetall – und er scheint dafür bereit zu sein. Nicht umsonst formuliert­e er schon vor Wochen sein Ziel lautstark, was er sonst eher nicht tut. In Gesprächen wählt er seine Worte oft mit Bedacht. Vielleicht ist die Aussage aber auch einfach das Spiegelbil­d seines aktuellen Selbstbewu­sstseins. Wichtiger werden aber die Beine sein, die er an den entscheide­nden beiden Tagen haben wird. Die Vergangenh­eit hat gezeigt: Wenn es darauf ankommt, sind sie oft tatsächlic­h da.

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FOTO: URS FLUEELER/DPA Fokus Olympia: Maximilian Schachmann vom Team Bora-Hansgrohe während der Tour de Suisse Mitte Juni.

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