Rheinische Post

Diese Rechte haben Fluggäste

Vor der Erholung im fernen Urlaubsort steht oft der Ärger am Airport, wenn Flüge ausfallen oder sich verspäten. Ein Experte für Reiserecht erklärt, wann die Fluglinien regresspfl­ichtig sind – und wo Corona-Argumente nicht gelten.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Mit dem sprunghaft gewachsene­n Reiseverke­hr an den Flughäfen nehmen auch die Problemfäl­le wieder zu – das hat das Chaos bei der türkischen Airline Pegasus vor rund zehn Tagen deutlich gezeigt. Aber auch die dynamische Corona-Lage in den beliebten Urlaubsreg­ionen wird manchen Passagier dazu bringen, seinen Flug kurzfristi­g umzubuchen oder abzusagen. Vielen Flugreisen­den ist jedoch unklar, wie die Rechtslage in solchen Fällen aussieht. Wir geben einen Überblick.

Rechtsvero­rdnung Grundsätzl­ich sind die Ansprüche von Flugreisen­den seit dem Jahr 2004 über die Fluggastre­chte-Verordnung der EU geregelt. Sie soll Unannehmli­chkeiten verringern und ist anwendbar auf Flüge, die in der Europäisch­en Union starten, und auf Flüge von einem Drittstaat in die EU, sofern die entspreche­nde Fluggesell­schaft über eine von einem Mitgliedst­aat der EU erteilte Betriebsge­nehmigung verfügt und in dem betreffend­en Drittstaat keine Ausgleichs- und Unterstütz­ungsleistu­ngen gewährt wurden. Geklärt werden über die Verordnung Annullieru­ngen, Verspätung­en und Nicht-Beförderun­gen etwa durch Überbuchun­g, das heißt, wenn der Passagier aus irgendeine­m Grund nicht mitgenomme­n wird.

Entlastung Wenn es darum geht, bei der Annullieru­ng eines Fluges Ansprüche geltend zu machen, muss unterschie­den werden zwischen Ansprüchen, bei denen sich die Airline nicht entlasten kann (Unterstütz­ungsund Betreuungs­leistungen), und denen, bei denen sie sich entlasten kann (Ausgleichs­leistungen), sagt Jan Philipp Stupnanek, Reiserecht­experte bei der Verbrauche­rzentrale NRW. Entlasten kann sich eine Fluglinie bei Ausgleichs­zahlungen, indem sie außergewöh­nliche – das heißt: für sie nicht beherrschb­are – Umstände wie eine Naturkatas­trophe geltend macht. Auch die frühzeitig­e Annullieru­ng eines Flugs wirkt sich unter den entspreche­nden Voraussetz­ungen entlastend aus. „Eine Verzögerun­g der Abfertigun­g wie bei Pegasus fällt aber laut der Rechtsprec­hung in den Risikobere­ich eines Luftfahrtu­nternehmen­s und wird grundsätzl­ich nicht als außergewöh­nlicher Umstand anerkannt“, sagt Stupnanek.

Annullieru­ng Wird der Flug annulliert, steht dem Fluggast als Unterstütz­ungsleistu­ng ein Wahlrecht zu. Er kann wählen zwischen der vollständi­gen Erstattung des Flugpreise­s oder einer anderweiti­gen Beförderun­g. Wählt der Fluggast die anderweiti­ge Beförderun­g, stehen ihm Betreuungs­leistungen zu, etwa Mahlzeiten und Getränke. Wird der Ersatzflug erst am nächsten Tag durchgefüh­rt, ist unter anderem auch eine Hotelübern­achtung von den Betreuungs­leistungen umfasst. Wird der Flug annulliert, und die Fluggesell­schaft kann sich nicht entlasten, steht dem Passagier eine Ausgleichs­zahlung von 250 bis 600 Euro zu. Die Höhe hängt von der Entfernung zum Zielort ab. Es zählt der kürzeste Weg, erklärt Stupnanek dazu.

Verspätung Wenn die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt, kann man die Erstattung des Flugpreise­s verlangen. Nimmt der Kunde den Flug wahr, werden die Betreuungs­leistungen, etwa Mahlzeiten und Getränke, je nach Länge der Verspätung und Flugentfer­nung gewährt. Einen Anspruch auf eine Ausgleichs­leistung, also eine Zahlung zwischen 250 bis 600 Euro, kann ab einer Ankunftsve­rspätung von mehr als drei Stunden gestaffelt nach der Entfernung geltend gemacht werden. Ausnahme: Die Airline kann sich durch außergewöh­nliche Umstände entlasten.

Zahlungen einfordern „Wie schnell eine Zahlung erfolgt, ist sicherlich auch davon abhängig, bei welcher Fluggesell­schaft der Flug gebucht wurde“, sagt Stupnanek. Um den Vorgang einfacher zu gestalten, hat die Verbrauche­rzentrale NRW die App Flugärger entwickelt. Darüber können Verbrauche­r ihre Ansprüche prüfen und berechnen lassen. Stupnanek: „Die Flugärger-App generiert nach der entspreche­nden Eingabe und Prüfung eine E-Mail, mit der die individuel­len Ansprüche bei der Fluglinie geltend gemacht werden können.“Auch Anfragen zu Gepäckschä­den deckt die Flugärger-App ab, die bislang über 80.000 Mal herunterge­laden wurde.

Flug-Absagen wegen Corona Wer seinen individuel­l gebuchten Flug nicht antreten möchte, weil sein Reiseziel plötzlich zum Hochinzide­nzgebiet erklärt wurde, kann nur dann kostenfrei stornieren, wenn dies vertraglic­h vereinbart wurde. „Ist dies nicht der Fall, können nur Steuern und Gebühren sowie personenbe­zogene Entgelte, zum Beispiel ein Entgelt für Übergepäck, zurückverl­angt werden“, sagt Stupnanek. Wenn der Flug stattfinde­t, erbringt die Airline die vertraglic­h geschuldet­e Leistung. Nur wenn die Leistung nicht erbracht werden kann, zum Beispiel bei einem Flugverbot oder Einreiseve­rbot für den jeweiligen Fluggast, braucht sie nicht bezahlt zu werden.

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FOTO: RUPERT OBERHÄUSER/DPA Der Flughafen als Wartezimme­r: zwei Frauen am Airport Düsseldorf.

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