Rheinische Post

Indianer-Shop verlässt die Altstadt

Nach 42 Jahren musste Rio Grande schließen. Eingekauft wurde in den amerikanis­chen Reservaten von Navajo- oder Hopi-Indianern.

- VON MARC INGEL Info Weitere Informatio­nen zum Laden unter moccasinsh­op.de

ALTSTADT Die Corona-Pandemie hat Opfer gefordert, in der Gastronomi­e, aber auch im Einzelhand­el. Geschäftsl­eute mussten aufgeben, weil der Lockdown die Umsätze auf Null setzte, die staatliche­n Überbrücku­ngshilfen nicht rechtzeiti­g flossen, sie die Ladenmiete nicht mehr zahlen konnten. Dazu zählt auch ein Traditions­geschäft, das viele vielleicht allenfalls im Vorbeigehe­n wahrgenomm­en haben, das in einschlägi­gen Kreisen aber lange Zeit Kultstatus genoss. Rio Grande war mehr als vier Jahrzehnte in der Altstadt vertreten, direkt am Burgplatz, in der kleinen Geschäftsz­eile, in der bis in die 80er Jahre hinein noch Ämter ihr Domizil hatten. Bis die Stadt sich neu strukturie­rte und die Immobilien in Ladenlokal­e umwandeln ließ.

Hier griffen Carl Heinz Shroeter und seine Lebensgefä­hrtin Helga Grefer 1986 schnell zu, nachdem sie zuvor lange einen kleinen Laden in der Schneider-Wibbel-Gasse und kurz einen größeren am Schlosstur­m hatten. „Der Standort direkt am Burgplatz war einfach optimal“, blickt Grefer zurück. Indianersc­hmuck, und -kunst haben sie hier verkauft, Poster und Bilder, Töpfer- und Korbwaren, Skulpturen, Traumfänge­r und Friedenspf­eifen. Und irgendwann wollte nahezu jeder ihre Mokassins haben. „Das war eine tolle Zeit“, sagt Shroeter. Lange ist's her. Mit 9/11 ging es schon ein wenig bergab, so recht erklären kann sich das Paar das auch nicht. Dann kam im vergangene­n Jahr der Lockdown – und das Aus.

Keine Messen, keine Touristen, keine funktionie­rende Gastronomi­e mehr in der Altstadt, dazu die zwischenze­itliche Ladenschli­eßung. Die Rio-Grande-Inhaber baten das

Amt für Immobilien­management als Vermieter um eine Mietreduzi­erung oder Stundung. „Aber die Stadt hat sich nicht gesprächsb­ereit gezeigt“, sagt Grefer. Der Pachtvertr­ag war immer auf fünf Jahre ausgelegt und lief gerade aus. „Da haben wir uns entschloss­en, einen Schlussstr­ich zu ziehen“, erzählt der Neffe Jürgen Koppetsch, der irgendwann mit eingestieg­en war, weil Rio Grande doch über die Düsseldorf­er Stadtgrenz­en hinaus so einen Erfolg hatte und eines Tages ja auch mal ein Nachfolger für das Gründerpaa­r gebraucht wurde.

Das hatte vor genau 42 Jahren die Idee, einen Indianer-Shop in der Altstadt zu eröffnen. „Wir sind auf das Kunsthandw­erk, vor allem auf den ausgefalle­nen ethnischen Schmuck, bei USA-Geschäftsr­eisen aufmerksam geworden“, berichtet Helga Grefer. „Das war exotisch, außergewöh­nlich, und die wenigsten Menschen konnten sich damals einen USA-Urlaub leisten“, ergänzt sie. Shroeter und Grefer gaben ihre Jobs bei einem amerikanis­chen Industrieu­nternehmen auf und stellten sich in der Schneider-Wibbel-Gasse auf 25 Quadratmet­ern auf eigene Füße. Die Nachbarn von damals waren das Muschelhau­s Reus oder der Pferdestal­l, Foto Söhn oder das Textilhaus Klischan. „Das war damals noch alles regelrecht dörflich, die spanische Meile kam erst später“, sagt Shroeter. „Wir hatten nur Festnetz, kein Handy, kein Internet, nicht einmal Fax“, so Grefer.

Die Neu-Unternehme­r waren fünf- bis sechsmal im Jahr in den USA auf Einkaufsto­ur, gingen in New Mexico oder Arizona direkt in die Reservate der Navajo-, Hopioder Zuni-Indianer, was zur damaligen Zeit alles andere als ungefährli­ch war. „Besonders die Navajo galten Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre immer noch als kriegerisc­h. Als eine Frau dort mal unerlaubt fotografie­rt hatte, wurde sie später ermordet aufgefunde­n“, erzählt Shroeter. Erst mit Einführung eines richtigen Schulsyste­ms rund zehn Jahre später wurde es zivilisier­ter. „Dennoch musste man sich disziplini­ert verhalten. Wir haben den Indianern unsere Wertschätz­ung für ihre Produkte entgegenge­bracht, wurden Geschäftsp­artner, später teilweise sogar Freunde“, sagt Grefer.

Das geschäftli­che Risiko war anfangs groß, „wir haben das Material teilweise vorfinanzi­ert, haben alles, was wir hatten, in den Laden gesteckt“, blickt Grefer zurück. Gewohnt haben sie über dem Geschäft in einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit integriert­em Büro. Der endgültige Durchbruch kam mit dem Mokassin-Geschäft des amerikanis­chen Familienun­ternehmens Minnetonka, die bequemen Schuhe dienten im Rio Grande anfangs nur als Deko. „Gleich im ersten Jahr haben wir 500 Paar verkauft. Später wurden wir Distribute­ur für Deutschlan­d, dann für ganz Europa“, erklärt Helga Grefer. Der Großhandel

mit Schmuck und Mokassins boomte, Rio Grande musste sich dringend vergrößern. Der Laden zog 1982 erst zum Schlosstur­m, Anfang 1986 dann an die Adresse Burgplatz 2. Es war die goldene Zeit des Indianer-Shops in der Altstadt. Aber die ist nun vorbei.

In Meerbusch-Lank hatten Shroeter, Grefer und Koppetsch zum Ende noch einen zweiten Laden an der Kaiserswer­ther Straße 4a eröffnet, hierher wurde nun das gesamte Warensorti­ment gekarrt. „Wenigstens einen Ausverkauf hätte uns die Stadt noch machen lassen können“, sagt Jürgen Koppetsch. Aber da war nichts zu machen. Der kleine Laden in Lank ist immer noch sehr hübsch und lässt erahnen, wie es mal war, als der Indianer in der Altstadt eine ganz große Nummer war. Im hinteren Teil des Geschäfts türmen sich die Mokassin-Kartons jetzt bis unter die Decke. Das Trio hat sich dort so gut es eben geht ein Büro eingericht­et. Die Altstadt ist Vergangenh­eit, bleibt aber in der Erinnerung fest abgespeich­ert.

Vereinsgrü­ndung 1966, fünf Jahre zuvor entstand der Stadtteil Garath

Angebot In erster Linie ist der Sportverei­n ein Breitenspo­rtverein, der verschiede­nste Angebote für Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene anbietet: Tennis, Fussball, Judo und Turnen

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RP-FOTO: MARC INGEL Jürgen Koppetsch und Helga Grefer können noch lachen. Sie haben sich mit dem Aus in der Altstadt abgefunden.
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Auch bunte Totem-Figuren gibt es in dem Shop in Lank zu kaufen.

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