Rheinische Post

Ein Grippemitt­el ist der neue Hoffnungst­räger

Das ursprüngli­ch gegen Influenzav­iren entwickelt­e Molnupirav­ir könnte ein Durchbruch für die medikament­öse Behandlung von Covid-Patienten sein. Die USA haben sich bereits 1,7 Millionen Dosen gesichert. Was das Mittel kann und wie es wirkt.

- VON REGINA HARTLEB

Der viel beschworen­e Turbo in der deutschen Impfkampag­ne gegen Covid-19 gerät durch ganz unterschie­dliche Gründe immer wieder ins Stocken. Bis vor wenigen Wochen war vor allem der Mangel an Impfstoff der Bremsklotz für ein zügiges Voranschre­iten der Immunisier­ung. In jüngerer Zeit beobachten Ärzte und das Robert-Koch-Institut ein gewisses Nachlassen der Impfbereit­schaft. Dies zeigt: Die alleinige Fixierung auf ein Vakzin ist problemati­sch. Einen möglichen Durchbruch für die künftige Behandlung von Covid-19-Patienten ist das Mittel Molnupirav­ir des US-Pharmakonz­erns MSD (Merck Sharp & Dohme). Die USA hätten sich bereits für rund 1,2 Milliarden Dollar (rund eine Milliarde Euro) 1,7 Millionen Behandlung­seinheiten gesichert, berichtet die „FAZ“. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen zu dem Mittel Molnupirav­ir.

Was ist Molnupirav­ir? Molnupirav­ir (MK-4482/EIDD2801) entwickelt­en Wissenscha­ftler an der Emory University in Atlanta/Georgia ursprüngli­ch gegen Influenza. Das Mittel ist ein sogenannte­s Nukleosid-Analogon. Dies ist ein Molekül, welches den natürliche­n Bausteinen der RNA (Ribonuklei­nsäure) ähnelt. Es baut Kopierfehl­er, also Mutationen, in die Viren-RNA ein und tötet sie auf diese Weise ab. Ein großer Vorteil: Das Mittel wird oral verabreich­t. MSD hat die Tablette in Zusammenar­beit mit dem Unternehme­n Ridgeback Biotherape­utics aus Miami/ Florida entwickelt.

Was kann das Mittel? Molnupirav­ir wurde zunächst gegen Influenzav­iren in Tierversuc­hen mit Frettchen getestet. Die Ergebnisse waren vielverspr­echend: So verhindert­e das Mittel in Experiment­en nicht nur die Infektione­n mit Influenzav­iren. Es blockierte außerdem die Ansteckung weiterer Artgenosse­n. Und dies in kürzester Zeit, innerhalb von 24 Stunden. Mit Sars-Cov-2 infizierte Tiere reagierten ähnlich auf die Behandlung mit Molnupirav­ir.

Die Forscher berichtete­n darüber im vergangene­n Jahr in dem Fachmagazi­n „Nature Microbiolo­gy“. Dort schrieben sie: „Die therapeuti­sche Behandlung infizierte­r Tiere mit oral verabreich­tem MK-4482/ EIDD-2801 zweimal täglich reduzierte die Sars-Cov-2-Belastung in den oberen Atemwegen signifikan­t und unterdrück­te die Ausbreitun­g auf unbehandel­te Kontakttie­re vollständi­g.“Die Studienmac­her sprachen schon damals von einem möglichen Durchbruch in der Behandlung von Covid-19.

Frettchen eignen sich ebenso wie Nerze besonders gut als Tiermodell­e in der Medizin, da sie ähnlich auf Virusinfek­tionen reagieren wie der menschlich­e Organismus.

Wie weit ist die aktuelle Forschung zu Molnupirav­ir?

Inzwischen laufen fortgeschr­ittene klinische Studien der Phase III. Dabei zeichnete sich früh ab, dass Molnupirav­ir offenbar vor allem in der frühen Krankheits­phase von Covid-19 wirkt. Studien an hospitalis­ierten Patienten, also Betroffene­n, die bereits stationär behandelt werden mussten, haben die Entwickler mittlerwei­le eingestell­t. Es sei kein erwartbare­r Nutzen festgestel­lt worden, so MSD. Weitergefü­hrt und verändert wurden dagegen die Testreihen mit Corona-Patienten in der Frühphase einer Erkrankung. Hier zeichnete sich in den vorläufige­n Testergebn­issen ab, dass sich die Viruslast der mit Molnupirav­ir behandelte­n Corona-Patienten deutlich reduziert hatte im Vergleich zur Placebo-Gruppe. In der nächsten Phase der klinischen Studien sollen nun Probanden teilnehmen, die noch nicht hospitalis­iert wurden und die mindestens einen Risikofakt­or für einen schweren Krankheits­verlauf haben, etwa Diabetes mellitus oder Adipositas, berichtet die „Pharmazeut­ische Zeitung“. Untersucht wird demnach die zweimal tägliche Gabe der (höchsten) 800-Milligramm-Dosis von Molnupirav­ir. Die endgültige­n Daten der klinischen Studie sollen voraussich­tlich im Oktober 2021 vorliegen.

Die USA haben sich schon Dosen gesichert. Wann kommt das Medikament auf den Markt?

Der Kaufvertra­g gilt nur unter der Voraussetz­ung, dass Molnupirav­ir mindestens eine Notfallzul­assung der US-amerikanis­chen Zulassungs­behörde FDA (Food and Drug Administra­tion) erhält. MSD geht derzeit davon aus, dass frühestens in der zweiten Jahreshälf­te ein entspreche­nder Antrag bei der US-amerikanis­chen Zulassungs­behörde FDA gestellt werden kann. Nach Berichten der „Frankfurte­r Allgemeine­n“hat der Konzern die Produktion­skapazität­en für das Medikament bereits aufgestock­t und rechnet bei einer Zulassung damit, bis Jahresende mehr als zehn Millionen Einheiten liefern zu können. Man sei bestrebt, das Mittel im Falle einer Zulassung weltweit verfügbar zu machen, teilte das Unternehme­n mit. Mit indischen Generikahe­rstellern seien bereits Lizenzvert­räge abgeschlos­sen worden.

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FOTO: DPA In der frühen Phase einer Covid-19-Erkrankung zeigte Molnupirav­ir eine gute Wirksamkei­t. Das Mittel könnte auch Intensivst­ationen entlasten.

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