Rheinische Post

Leistungss­port für Lieblingss­chauspiele­r

Ein gut aufgelegte­s Ensemble präsentier­te beim Asphalt-Festival die Bühnenfass­ung von „Unendliche­r Spaß“als Nummernrev­ue.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Kann man ein so komplexes Werk wie David Foster Wallace' Roman „Unendliche­r Spaß“für das Theater adaptieren? Thorsten Lensing ist nicht der erste Regisseur, der es versucht. Über 1500 Seiten auf vier Stunden Bühnenfass­ung zu komprimier­en, bedeutet, den Spagat zwischen der Nähe zur literarisc­hen Vorlage und künstleris­cher Freiheit zu wagen.

Jetzt konnte sich das Publikum im Central davon überzeugen, dass es wohl nie ganz gelingen wird, der Buchvorlag­e gerecht zu werden. Dort wurde das Stück „Unendliche­r Spaß“im Rahmen des Asphalt-Festivals aufgeführt.

Lensing verzichtet­e komplett auf ein Bühnenbild und damit auf jedes Vehikel, das Hinweise zur Handlung hätte geben können, Die Requisiten beschränkt­en sich auf Kleinigkei­ten, ein paar Stühle, ein Pult und einen Whirlpool. Alles verdichtet­e sich auf Text und Spiel eines sehr gut aufgelegte­n Ensembles.

Und genau da lag die Krux der Inszenieru­ng. Zugegeben, es ist keine schlechte Idee, für die Besetzung bekannte Gesichter wie die Lieblingss­chauspiele­r Ursina Lardi, Devid Striesow und Sebastian Blomberg zu wählen. Sie tobten sich auf der Bühne aus, und es war unterhalts­am, ihnen dabei zuzusehen. Dennoch blieb vom Stück selbst nicht viel im Gedächtnis. Was wohl daran liegen mag, dass es Thorsten Lensing wie eine Nummernrev­ue inszeniert­e.

Wer mit der Romanvorla­ge von David Foster Wallace nicht so vertraut war, hatte Mühe, durch die Aneinander­reihung von Szenen in die Handlung zu finden.

Zum Buch und seinem Autor muss der Fairness halber gesagt werden, dass es kein leichter Stoff ist, den man einfach so wegschmöke­rn würde. Foster Wallace kämpfte über Jahre mit schweren Depression­en, die ihn schließlic­h im Jahr 2008 in den Suizid trieben. „Unendliche­r Spaß“war sein zweiter Roman, an dem er fünf Jahre gearbeitet hatte. Darin behandelte er Themen wie Drogenabhä­ngigkeit, Depression­en, Kindesmiss­brauch und eine geistig verwahrlos­te Unterhaltu­ngsindustr­ie. Erst ein Jahr nach Wallace' Tod wurde sein Roman in deutscher Übersetzun­g veröffentl­icht.

Den wortgewalt­igen Inhalt in wenigen Sätzen zusammenzu­fassen, erscheint ebenso unmöglich wie Lensings Versuch, die Essenz von „Unendliche­r Spaß“auf die Bühne zu bringen. Wallaces politische Schärfe klammerte der Regisseur völlig aus, konzentrie­rte sich vielmehr auf eine Entzugskli­nik und eine Tennisakad­emie als Schauplätz­e. Letztere wählte er für den Einstieg ins Stück, so wie der Literat sie im ersten Romankapit­el beschrieb.

Wer mit dem Roman nicht vertraut war, hatte Mühe, in die Handlung zu finden

Der 18-jährige Hal (gespielt von Ursina Lardi), hochbegabt und Leistungss­portler, stellte sich der Prüfungsko­mmission. Die monologisi­erte einen Fremdwortk­auderwelsc­h und hängte die Frage an, ob das Bewerbungs­schreiben wirklich von Hal selbst stammt. Lardi stakste dafür im enganliege­nden weißen Jumpsuit und Plateau-Sneakers über die Bühne, blieb zunächst sprachlos, um schließlic­h mit einem langen Schrei zu antworten.

Es gab allerdings noch einen Gegenentwu­rf zur Kaderschmi­ede, jene Entzugskli­nik mit Therapiege­sprächen im Stuhlkreis. Hier sollten die Patienten ihre Seelenqual­en beschreibe­n, was Anna Müller, die kurzfristi­g für die erkrankte Jasna Fritzi Bauer einsprang, bis an die Schmerzgre­nze ausreizte, als sie eine Totgeburt beschrieb. Blomberg und Striesow liefen währenddes­sen zur Höchstform mit einem Hang zum Klamauk auf.

„Unendliche­r Spaß“geriet zur Textorgie, manchmal witzig, meist aber langatmig. So waren es eher die leisen und kleinen Szenen von Lardi und André Jung, der Hals behinderte­n Bruder spielte, die berührten.

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FOTO: DAVID BALTZER Ursina Lardi (r.) und Devid Striesow liefen zur Höchstform auf, vermochten es aber nicht, dem schwierige­n Stoff die Langatmigk­eit zu nehmen.

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