Rheinische Post

GOTT UND DIE WELT Josef als positives Beispiel

Was Chanukka mit der Bibel zu tun hat, zeigt ein bedeutsame­r Tora-Abschnitt.

- JEHOSCHUA AHRENS Unser Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerko­nferenz. Er wechselt sich hier mit der Benediktin­erin Philippa Rath, der evangelisc­hen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

Momentan feiern wir Chanukka, das jüdische Lichterfes­t. Die Geschichte ist schnell erzählt: Die Griechen wollten ihr ganzes Reich vollständi­g hellenisie­ren. Dafür unterdrück­ten sie brutal die Ausübung des Judentums, doch diese Politik war nicht erfolgreic­h, sondern löste einen Aufstand gegen die griechisch­en Besatzer aus, der am Ende siegreich war – der erste Kampf um Religionsf­reiheit in der Geschichte der Menschheit.

Jerusalem wurde zurückerob­ert, der Tempel wieder eingeweiht und das Lichterwun­der geschah. Was nicht alle wissen: die jüdischen Rebellen kämpften nicht nur gegen die Griechen, sondern auch gegen hellenisie­rte Juden. Lehnt das Judentum also die Integratio­n in andere Gesellscha­ften oder Kulturen

ab? Der Tora-Abschnitt, den wir an Chanukka lesen, ist die Geschichte von Josef in Ägypten, also das Beispiel einer gelungenen Integratio­n in ein Gastland. Es gibt nämlich einen entscheide­nden Unterschie­d zwischen Josef in der Bibel und den hellenisie­rten Juden zur Zeit der Makkabäer: Während sich Josef integriert, also seine jüdische Identität neben der ägyptische­n beibehält, hatten sich die hellenisti­schen Juden völlig assimilier­t und ihre eigene Kultur für die griechisch­e aufgegeben.

Dabei gibt es keinen Widerspruc­h zwischen den Kulturen der Länder, in denen wir leben, und der jüdischen Religion und Kultur. Ganz im Gegenteil: Wir Juden können die Gesellscha­ften, in denen wir leben, mit unserem Wissen, unserer Erfahrung und unserem

Kulturerbe bereichern. So wie Josef, der sein Talent dafür nutzt, um Ägypten voranzubri­ngen. Die jüdische Tradition lehrt uns mit dem Prinzip „Das Gesetz des Landes ist Gesetz“, dass wir die lokalen Gesetze zu achten haben. Wir sollen uns also nicht isolieren oder separieren. Wir können beides sein: stolze Juden, die ihre Religion und Tradition achten, und loyale Bürger der Länder, in denen wir leben, und deren Kultur, Sprache und Gepflogenh­eiten annehmen, ohne unsere jüdische Identität aufgeben zu müssen.

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