Rheinische Post

„In einer existenzie­llen Situation“

Die Co-Vorsitzend­e der Linken über die Folgen der Wahlnieder­lage ihrer Partei.

- HOLGER MÖHLE STELLTE DIE FRAGEN.

Frau Wissler, wäre die Linke gerade gerne Teil der Bundesregi­erung? In diesen Corona-Zeiten ist Opposition doch gar nicht so schlecht, oder?

WISSLER Natürlich würden wir gerne die Politik mitbestimm­en und Einfluss darauf nehmen, dass es Millionen Menschen besser geht. Es ist genug Geld da in diesem Land, doch es bleibt falsch verteilt. Wer die Reichen schont, versündigt sich an denen, die wenig oder nichts haben. Mit der Ampel wird es keine Umverteilu­ng von oben nach unten geben und keine Vermögenst­euer. Wir brauchen aber dringend eine andere Steuerpoli­tik, um in Klimaschut­z zu investiere­n, die Schulen und Krankenhäu­ser besser auszustatt­en und die Armut zu bekämpfen. Wer dazu noch die Schuldenbr­emse für sakrosankt erklärt, hat kein Geld, diese großen Zukunftsth­emen zu finanziere­n.

Kommt Deutschlan­d in diesem Corona-Winter noch an einem Lockdown vorbei?

WISSLER So wie es jetzt aussieht: Nein. Aber man hätte es verhindern können. Diese vierte Welle war vermeidbar. Wir haben die Impfstoffe, und wir haben die Erfahrung aus den ersten drei Wellen. Entgegen allen Warnungen hat die Bundesregi­erung zugeschaut, wie die Infektions­zahlen anstiegen. Die Schließung der Impfzentre­n und die Abschaffun­g der kostenfrei­en Tests waren ein Fehler und haben dazu beigetrage­n, dass die Lage außer Kontrolle geriet. Jetzt muss das öffentlich­e Leben in weiten Bereichen

wieder herunterge­fahren werden. Großverans­taltungen gehören abgesagt. Es geht nicht, dass man in einer Lage wie dieser 15.000 Zuschauer in ein Fußballsta­dion lässt.

Auch Schulen und Kindertage­sstätten?

WISSLER Kinder sollten absolute Priorität haben. Es kann nicht sein, dass das Weihnachts­shoppen fröhlich weitergeht, aber Schulen schließen müssen. Aber ich befürchte, man kann derzeit gar nichts ausschließ­en. Denn leider wurde versäumt, die bestmöglic­hen Voraussetz­ungen zu schaffen, um die Kinder in den Schulen zu schützen. Wir haben immer noch viel zu wenige Luftfilter in den Klassenzim­mern. Die hätte man längst flächendec­kend haben können.

Ist Ihre Partei in der Existenz gefährdet?

WISSLER Wir sind in einer schwierige­n und durchaus existenzie­llen Situation. Das Wahlergebn­is war desaströs. Aber: Es gibt uns noch. Und: Die Linke wird gebraucht. Wir sind die Opposition von links zu einer Ampel, die viele Zukunftspr­obleme nicht lösen wird. Die Vielstimmi­gkeit der Linken, die den Eindruck von Zerstritte­nheit erzeugt, müssen wir überwinden und sozial gerecht Alternativ­en aufzeigen. Wenn wir mit einander widersprec­henden Positionen in der Öffentlich­keit stehen, haben wir ein Problem. Nach der Linken gefragt, muss das klare Bild sein: Die Linke, das ist die Gerechtigk­eitspartei, die will, dass Pflegekräf­te mehr Geld verdienen, die sich für bezahlbare Mieten einsetzt, die Armut bekämpfen und Reichtum gerecht verteilen will. Daran müssen wir arbeiten.

Entscheide­n die Landtagswa­hlen in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein, in Niedersach­sen und im Saarland über die Existenz der Linken?

WISSLER: Das sind wichtige Wahlen, und wir können in allen Ländern den Einzug in die Landtage schaffen. Gerade dieses Wahljahr hat ja gezeigt, wie volatil die Stimmung ist und welche Aufs und Abs es in den Umfragen geben kann. Wir haben eine Chance, wenn wir uns profiliere­n können als moderne Gerechtigk­eitspartei, die für soziale und demokratis­che Rechte, Klimaschut­z und Frieden eintritt.

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FOTO: DPA Co-Vorsitzend­e Janine Wissler führt ihre Partei durch harte Zeiten.

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