Rheinische Post

Gegen die Arroganz der Macht

Viele Serben kritisiere­n den geplanten Lithium-Abbau – und Staatschef Vucic.

- VON THOMAS ROSER

BELGRAD Die Trillerpfe­ifen und Sprechchör­e überdröhnt­en das nervöse Hupen der im Demonstrat­ionsstau gestrandet­en Autofahrer. Nicht nur in Serbiens Hauptstadt Belgrad zog ein Meer von Menschen über die Stadtautob­ahn: Landesweit blockierte­n Zehntausen­de Demonstran­ten an mehr als 50 Orten am zweiten Wochenende in Folge Autobahnen, Haupt- und Fernstraße­n.

Die Proteste sind gegen ein geplantes Lithium-Bergwerk des australisc­h-britischen Konzerns Rio Tinto und neue Enteignung­s- und Referendum­sgesetze gerichtet, die diesem den Weg ebnen sollen. Als „großen Sieg aller Bürger“würdigten Umweltschu­tzgruppen in einer gemeinsame­n Erklärung die Proteste: Serbien habe klar gezeigt, dass es „keine Gesetze will, die Schaden bringen, und keine Bergwerke und Fabriken, die das Land zerstören.“

Unterstütz­ung erhält Serbiens erwachsend­e Öko-Bewegung überrasche­nd auch von dem populärste­n und erfolgreic­hsten Sportler des Landes. „Saubere Luft, Wasser und Nahrung sind die Schlüssel für die Gesundheit“, so die Instagram-Botschaft vom Tennis-Weltrangli­stenersten Novak Djokovic unter dem Foto der Belgrader Proteste: „Die Umwelt ist unsere Mutter.“

Wie am Wochenende zuvor, als in der Provinzsta­dt Sabac offenbar von der regierende­n SNS engagierte Schläger mit Holzstange­n und

Hämmern auf Demonstran­ten einschluge­n, wurden die weitgehend friedliche­n Proteste erneut von Zwischenfä­llen überschatt­et. In Belgrad bewarfen maskierte Hooligans von einer Brücke die Demonstran­ten mit brennenden Rauchfacke­ln. Die Journalist­engewerksc­haft UNS klagte über mehrere Hooligan-Attacken gegen Reporter, die über die Proteste berichtete­n. In Novi Sad verprügelt­en wütende Demonstran­ten die Hooligans, die sie mit Steinen beworfen hatten.

Die Proteste hätten „nichts mit Ökologie zu tun“, ärgerte sich derweil Regierungs­chefin Ana Brnabic (SNS). Tatsächlic­h ziehen viele Serben auch gegen Korruption, Mafia-Machenscha­ften und Pressekneb­elung im faktischen Einparteie­nstaat des autoritär gestrickte­n

Präsidente­n Aleksandar Vucic auf die Straßen. Wenige Monate vor den Parlaments-, Präsidents­chaftsund Belgrader Kommunalwa­hlen kommt dem stets selbstherr­lich wirkenden Präsidente­n der Volksaufst­and gegen das umstritten­e Lithium-Bergwerk reichlich ungelegen. Die meist regierungs­nahen Umfrageins­titute sehen ihn und die SNS zwar klar vorn. Doch zumindest in der Hauptstadt Belgrad droht seine SNS das Rathaus – und damit wichtige Finanzress­ourcen – zu verlieren.

Er verspreche, mit Rio Tinto zu reden, gelobte der für seine neoliberal­e Wirtschaft­spolitik in die Kritik geratene Vucic am Wochenende und stellte fest: „Es darf nicht nur um Profit, sondern es muss auch um das Leben und die Gesundheit der Menschen gehen.“

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FOTO: DJOROVIC/IMAGO Tausende Menschen protestier­ten am Wochenende in Serbien und blockierte­n wichtige Straßen wie hier die Autobahn E75 bei Belgrad.

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