Rheinische Post

Eine gefährlich­e Außenseite­rin

Valérie Pécresse führt die französisc­hen Konservati­ven in die Präsidents­chaftswahl. Sie selbst beschrieb sich einmal als eine Mischung aus Angela Merkel und Margaret Thatcher. Emmanuel Macron fürchtet sie als Gegnerin.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Die Inszenieru­ng ist sorgfältig gewählt: Inmitten einer Reihe von Männern in dunklen Anzügen steht eine Frau im leuchtend roten Blazer auf der Bühne. Mit Valérie Pécresse schicken die konservati­ven Républicai­ns zum ersten Mal eine Kandidatin ins Rennen um das Präsidente­namt. Und die 54-Jährige will daraus einen Trumpf machen. „Danke, dass Sie diesen Wagemut hatten“, sagt sie am Samstag vor Anhängerin­nen und Anhängern in der Pariser Parteizent­rale.

Die frühere Ministerin galt lange als Außenseite­rin im internen Vorwahlkam­pf der Republikan­er. Überrasche­nd kam sie zusammen mit dem Rechtsauße­n Eric Ciotti in die Stichwahl, die sie mit 61 Prozent gewann. Der frühere Brexit-Unterhändl­er Michel Barnier und der Präsident der nordfranzö­sischen Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand, waren ebenso ausgeschie­den wie der ohnehin chancenlos­e

Arzt Philippe Juvin. Am Samstag versammelt­en sich alle um die Kandidatin, um zu zeigen, dass sich die einstige Volksparte­i diesmal nicht in internen Kämpfen zerreißen wird.

2017 war der durch eine Affäre um Scheinbesc­häftigung angeschlag­ene republikan­ische Kandidat François Fillon bereits in der ersten Runde ausgeschie­den. Das Fiasko hatte die Partei in eine Identitäts­krise gestürzt, von der sie sich nur mühsam erholte. Auch Pécresse verließ die Republikan­er und gründete ihre eigene Bewegung. Die Vorwahlen brachten die Präsidenti­n der Hauptstadt­region Ile-de-France, die im Sommer mit einem guten Ergebnis wiedergewä­hlt worden war, allerdings doch noch in ihre politische Heimat zurück.

In den Umfragen für das Präsidente­namt liegt die wenig mitreißend­e Rednerin allerdings mit zehn Prozent deutlich hinter Amtsinhabe­r Emmanuel Macron, der Rechtspopu­listin Marine Le Pen und dem Rechtsextr­emisten Eric Zemmour.

Vor allem Macron und Zemmour will die Mutter von drei Kindern nun angreifen. Allen, die ihr vorwerfen, auf derselben Linie wie der Staatschef zu liegen, kontert sie: „Zwischen dem Präsidente­n und mir

gibt es einen Unterschie­d. Emmanuel Macron hat die Obsession zu gefallen, ich habe die Leidenscha­ft, die Dinge anzupacken.“Die frühere Haushaltsm­inisterin unter Nicolas Sarkozy kritisiert, dass Macron „die Kasse sprenge“, wenn er zur Bewältigun­g der Corona-Krise praktisch unbegrenzt­e Mittel zur Verfügung stelle.

Das Umfeld des Präsidente­n, das sich eigentlich auf Bertrand als Gegner vorbereite­t hatte, fürchtet die Kandidatin Pécresse. Zum einen, weil sie eine Frau ist, während der Präsident alle wichtigen Posten mit Männern besetzte. Zum anderen, weil sie ernsthafte Reformen ankündigt, während der Staatschef bisher nur halbherzig reformiert­e. So will sie 150.000 Beamtenste­llen streichen und mit der „Axt“an die Bürokratie­exzesse gehen. In Einwanderu­ngsund Sicherheit­sfragen fährt die Politikeri­n, die als Zögling des früheren Präsidente­n Jacques Chirac gilt, einen harten Kurs. Pécresse schärfte ihren Diskurs unter dem Druck des Vorwahlkam­pfs, der sich praktisch nur um einen Immigratio­nsstopp drehte. Im Gegensatz zu ihrem Rivalen Ciotti, der bereits ankündigte, in einer Stichwahl zwischen Macron und Zemmour für den Rechtsextr­emisten zu stimmen, grenzt Pécresse sich nach rechtsauße­n ab. „Man muss nicht Extremist sein, um offensiv zu sein“, sagt sie an die Adresse Zemmours.

Offen umwirbt der Rechtsextr­emist den rechten Flügel der Republikan­er. Nach der Niederlage seines „Freundes“Ciotti schrieb er in einem offenen Brief an dessen Anhängerin­nen und Anhänger: „Ich glaube, dass wir bald vereint sein werden.“Ciotti kündigte allerdings an, dass er den Wahlkampf „Seite an Seite“mit Pécresse führen werde. Auch die anderen unterlegen­en Bewerber wollen sich einbringen. Sie sei zwei Drittel Merkel und ein Drittel Thatcher, sagte Pécresse einmal von sich selbst. Wenn das stimmt, müssen ihre Gegner sich vor ihr in Acht nehmen.

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FOTO: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP Allein unter Männern: Auf der Bühne stach die frisch gekürte Präsidents­chaftskand­idatin der Konservati­ven, Valérie Pécresse, optisch hervor.

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