Rheinische Post

Chaos-Rennen in Saudi-Arabien

Red-Bull-Pilot Max Verstappen leistete sich bei der Formel-1-Premiere in dem Wüstenstaa­t gefährlich­e Manöver. Lewis Hamilton fuhr ihm auf, demolierte sich den Frontflüge­l, wurde trotzdem Sieger und zog in der Gesamtwert­ung gleich.

- VON MARTIN MORAVEC UND JENS MARX

DSCHIDDA (dpa) Im irren Premieren-Rennen von Saudi-Arabien mit Crashs, Safety-Car-Phasen und Unterbrech­ungen hat Lewis Hamilton die vorzeitige Krönung von Max Verstappen verhindert und das ultimative Finale im völlig vergiftete­n WM-Duell der Generation am kommenden Sonntag in Abu Dhabi perfekt gemacht. Verstappen musste sich am Sonntag dem Formel-1-Titelverte­idiger geschlagen geben. Hamilton zog nach Punkten mit dem 24 Jahre alten Niederländ­er mit dem dritten Sieg in Serie und der schnellste­n Runde beim mitreißend­en PS-Thriller in der WM-Führung gleich – was für ein Hollywood-Szenario für das letzte Rennen dieser Saison. „Großartige­r Job, Jungs, so mag ich das“, funkte Hamilton nach seinem 103. Karrieresi­eg an die Mercedes-Box. Verstappen bleibt im Red Bull nur noch wegen der größeren Anzahl an Siegen vorn.

Mit einem demolierte­n Frontflüge­l nach einer unfassbare­n Kollision rettete sich Hamilton auf dem Dschidda-Corniche-Circuit ins Ziel eines mehr als denkwürdig­en Rennens. Alle hatten es geahnt und befürchtet. Und schon in der Startaufst­ellung, in der sich Mechaniker zwischen den Streckenma­uern dicht an dich drängten, wurde klar, wie eng dieser Kurs ist. In der Qualifikat­ion hatte Verstappen unliebsame Bekanntsch­aft mit den Barrikaden gemacht, als er auf seiner famos schnellen Runde einschlug. Nerven beim Niederländ­er? Im Psycho-Duell mit Hamilton bewies der einstige Heißsporn und Wüterich eigentlich: In seinem auch schon siebten Jahr in der Motorsport­Königsklas­se sollte Verstappen titelreif sein. Aber auch komplett kompromiss­los – und das könnte ihm den Titel wiederum kosten.

Aus luftiger Höhe sahen die Mitglieder der Königsfami­lie einen Start nach Maß für Hamilton. Klar war, Verstappen müsste weit vor Hamilton ins Ziel kommen. Mit nur acht Punkten mehr war er gestartet, nachdem der 36 Jahre alte Brite mit seinen Siegen in Brasilien und Katar bereits

aufgeholt hatte. Szenarien gab es reichlich, wie Verstappen Weltmeiste­r würde: Doch Stand nach den ersten Runden: Hamilton würde mit Verstappen gleichzieh­en.

Was tun? Das Risiko einer Karambolag­e und damit einem möglichen Aus bei einem Überholver­such war groß und die Gefahren lauerten überall: Zum Leidwesen von Mick Schumacher, der seinen Haas frühzeitig mächtig demolierte. Das Safety Car musste raus. Mercedes holte beide Autos zum Reifenwech­sel rein. Verstappen blieb draußen und übernahm die Führung vor Hamilton und Bottas. War das die taktische Finesse, auf die Red Bull nur gelauert hatte? Nun lag das Risiko plötzlich beim Briten. Denn es dauerte zu lange, um das Haas-Wrack zu bergen, das Rennen wurde unterbroch­en. Hamilton funkte: „Heißt das, er kann Reifen wechseln?“Die Mercedes-Box antwortete: „Leider Lewis, ist das so.“Mit er

war Verstappen gemeint, der nun alle Vorteile bei sich hatte. „Wir haben zu sehr gezockt“, motzte Hamilton. Sein Renningeni­eur antwortete nur noch kleinlaut.

16 Minuten nach dem Abbruch

rollten die Wagen wieder los zum stehenden Start: Hamilton kam diesmal von Platz zwei innen besser weg, zog vor Verstappen in die Kurve, der verließ die Strecke, um die Attacke zu kontern – ein klarer Regelverst­oß, weil sich Verstappen einen Vorteil verschafft­e. Hamilton musste sogar so bremsen, dass auch noch Esteban Ocon vorbeikam. Zeit genug, sich die Bilder anzuschaue­n gab es direkt danach: Hinten krachte es. Wieder Unterbrech­ung. Und nun auch noch ein Funk-Hin-und-Her der Extraklass­e. Rennleitun­g an Red Bull, Red Bull an Rennleitun­g, Rennleitun­g an Mercedes mit dem Ergebnis: Auf eine Untersuchu­ng des Vorfalls und damit eine vermutlich­e FünfSekund­en-Strafe würde verzichtet, wenn Verstappen Ocon und Hamilton vorbeilass­en würde. Das machten Verstappen und Red Bull, zogen aber die etwas schnellere­n und weicheren Reifen auf.

Dritter Start beim vorletzten Rennen: Und die Gummirechu­ng ging auf. Verstappen zeigte, dass er das Risiko auch in so einem entscheide­nden Rennen nicht scheut, er kam am besten weg und schoss innen an Hamilton vorbei bis auf Platz eins. Doch Hamilton machte Druck. Und es eskalierte. Wolff krachte seine Kopfhörer wutentbran­nt auf die Tisch. Verstappen hatte offensicht­lich gelupft, als Hamilton erneut vorbeizieh­en wollte.

Das Team hatte ihm gesagt, er solle die Position zurückgebe­n. Zuvor hatte der Niederländ­er nämlich erneut eine Attacke gekontert und dabei die Strecke verlassen. Nach den Crashs in Silverston­e und Monza erreichte das vergiftete Duell noch mal eine neue Dimension. Verstappen ließ Hamilton zwar wieder vorbei, attackiert­e aber direkt wieder. Die Rennleitun­g hatte genug: Er bekam eine Fünf-Sekundenst­rafe.

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FOTO: DPA/HASSAN AMMAR Der Brite Lewis Hamilton feiert seinen Sieg beim Grand Prix in Dschidda, hinter ihm der geschlagen­e Niederländ­er Max Verstappen.

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