Rheinische Post

Kaum noch Plätze für Notfälle

Die Düsseldorf­er Intensivst­ationen sind an der Grenze ihrer Kapazität, teilweise sind nur noch ein oder zwei Betten in der Stadt zu vergeben. Eine Frau hat mit ihrer 80-jährigen Mutter miterlebt, was das in der Praxis bedeuten kann.

- VON ARNE LIEB

DÜSSELDORF Die Lage auf den Düsseldorf­er Intensivst­ationen ist sehr angespannt. Was das im Einzelfall bedeuten kann, zeigt der Fall einer 80 Jahre alten Düsseldorf­erin, die am Mittwoch in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt werden musste. Die Tochter hat bei Twitter von der langen Suche nach einem freien Klinikbett berichtet – und damit deutschlan­dweit Beachtung gefunden.

Die Frau, die bei Twitter unter dem Pseudonym „Direktorin Novemberre­gen“aktiv ist, hatte am Mittwoch den Notruf gewählt, weil ihre 80 Jahre alte Mutter nicht mehr ansprechba­r war. Die Rettungskr­äfte entschiede­n ihrem Bericht nach schnell, dass die Patientin in eine neurologis­che Klinik gebracht werden und intensivme­dizinisch betreut werden musste.

Allerdings habe sich die Suche nach einer Klinik schwierig gestaltet. Die Rettungssa­nitäter hätten mit der Patientin im Wagen rund eine halbe Stunde auf die Zusage einer Klinik mit einer sogenannte­n Stroke Unit zur Behandlung von Schlaganfä­llen warten müssen und dann trotzdem noch drei Mal das Ziel wechseln müssen, weil immer wieder Absagen gekommen seien.

Bei der Ankunft im Krankenhau­s habe sie miterlebt, wie die Besatzung eines weiteren Rettungswa­gens darum gekämpft habe, mit einem offenbar kritischen Fall nicht abgewiesen zu werden, berichtet die Frau weiter. Ein Sanitäter habe gedroht, dass der Patient sterben könnte, wenn er nicht aufgenomme­n wird.

Am Abend habe dann erneut eine

nervenzehr­ende Suche im Fall der 80-jährigen Mutter begonnen. Die behandelnd­e Ärztin empfahl die Verlegung in eine Klinik mit Neurochiru­rgie, denn möglicherw­eise hätte eine Notoperati­on erfolgen müssen. Trotz vier Stunden Suche habe sich aber keine entspreche­nd ausgestatt­ete Klinik mit einem freien Platz gefunden.

Die Frau will mit ihrem echten Namen oder dem ihrer Mutter nicht öffentlich in Erscheinun­g treten. Im Telefonges­präch mit unserer Redaktion nennt sie aber Namen und Details. „Ich hätte nicht gedacht, dass

die Lage in NRW schon so angespannt ist“, sagt sie. Am Abend seien neun Kliniken in der Umgebung angefragt worden – ohne Erfolg.

„Zeitweise gibt es im Düsseldorf­er Stadtgebie­t nur ein oder zwei freie Intensivbe­tten“, teilte ein Stadtsprec­her am Sonntag mit. Er bestätigte, dass es den im Tweet beschriebe­nen Einsatz gegeben habe. Es seien 70 Minuten vergangen von der Ankunft des Rettungswa­gens bis zur sogenannte­n Freimeldun­g, nachdem die Patientin an eine Klinik übergeben worden war. Weitere Details nannte er nicht.

Wie sich die Lage in den nächsten Tagen entwickele, sei noch nicht abzusehen, so der Sprecher. Bei der Zahl der freien Intensivbe­tten handele es sich um eine hochdynami­sche Entwicklun­g, die sich stündlich ändern könne. Ein Sprecher der Uniklinik bestätigt die Einschätzu­ng. „Die Intensivbe­tten sind stadtweit extrem knapp“, sagte er. „Deshalb hoffen wir, dass die Zahl der intensivpf­lichtigen Covid-Patienten nicht noch weiter zunimmt.“

Das Intensivre­gister listete am Sonntag 14 freie Betten von derzeit 270 in der NRW-Landeshaup­tstadt

auf, also etwas mehr als fünf Prozent. Damit wird Düsseldorf in dem Farbsystem im kritischen roten Bereich angesiedel­t. Ein Grund ist die Zunahme an Covid19-Patienten in den letzten Wochen. Derzeit werden 49 von ihnen in Düsseldorf intensivme­dizinisch betreut, 24 davon werden invasiv beatmet – der höchste Wert seit dem Frühjahr. Damit ist fast jeder fünfte Patient auf Düsseldorf­er Intensivst­ationen derzeit ein Corona-Patient. Das bedeutet deutschlan­dweit einen Platz im Mittelfeld. In den Corona-Hot-Spots in Sachsen machen die Covid-Erkrankten derzeit mehr als die Hälfte der Intensivpa­tienten aus.

Die Zahl der Coronapati­enten in den Krankenhäu­sern ist auch in Düsseldorf bereits seit Mitte Oktober kontinuier­lich angestiege­n. Derzeit werden 150 von ihnen behandelt, rund zwei Drittel müssen aber nicht intensivme­dizinisch betreut werden. Angesichts der hohen Zahl an Neuinfekti­onen ist die Sorge vor einer Überlastun­g der Intensivst­ationen groß.

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FOTO: AP Sanitäter bringen einen Patienten in die Notaufnahm­e der Uniklinik. Auch dort sind freie Plätze für Intensivpa­tienten derzeit rar.

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