Macht die Politik endlich digitaler!
Es wird gerade viel darüber geredet, was Deutschland alles hätte vorbereiten können, damit die vierte Welle nicht so stark einschlägt. Wie wenig sich die Politik auf ein erneutes Aufflammen der Pandemie vorbereitet hat, zeigt nicht zuletzt der politische Betrieb selbst.
In Düsseldorf wie auch in anderen Kommunen werden in diesen Tagen wieder haufenweise Gremiensitzungen gestrichen, weil sich die Mitglieder – völlig zu Recht – nicht stundenlang gemeinsam in einen Saal setzen wollen, wenn es nichts Unaufschiebbares zu beschließen lässt. Auch in der Politik sind inzwischen viele Coronafälle bekannt, der prominenteste betraf CDU-Bürgermeister Josef Hinkel.
Jede kleine Firma hat auf digitale Sitzungen umgestellt – der Rat und seine Ausschüsse dürfen das immer noch nicht. Das ist ein Versagen im Umgang mit der Pandemie.
Wenn sich Sitzungen nicht vermeiden lassen, werden sie derzeit auf größtmöglichem Sitzabstand möglichst zügig durchgepeitscht – jede längliche Debatte könnte schließlich die Aerosol-Belastung erhöhen. Der Stadtrat wich kürzlich in die riesige Mitsubishi-Electric-Halle auf. Wer auf den hinteren Plätzen die Redner überhaupt nur identifizieren wollte, musste einen Feldstecher mitbringen.
Die Folgen für den politischen Betrieb sind dramatisch. Die Absagen betrafen zuletzt unter anderem Seniorenrat und Gesundheitsausschuss, also zwei Gremien, die zu einer Pandemie durchaus Gesprächsbedarf gehabt hätten. Die Debatten über wichtige Themen wie der Neubau des Opernhauses oder die Etatberatungen bekommen andererseits nicht den Raum, der angemessen wäre.
Es gäbe eine Lösung, und die ist inzwischen in jedem kleinen Unternehmen routiniert eingeübt: digitale Sitzungen. Natürlich ist ein Treffen in Präsenz oft besser und auch transparenter für demokratische Zusammenkünfte, aber gerade sind die Dinge eben, wie sie sind. Erstaunlicherweise ist es auch nach fast zwei Jahren Pandemie aber rechtlich nicht zulässig, Ratssitzungen und vor allem Abstimmungen digital durchzuführen. Auch die Aufstellung von Kandidaten zum Beispiel für die Landtagswahl ist nur bei einer persönlichen Zusammenkunft erlaubt. Corona wird es freuen.
Es wäre ein wichtiger Dienst an der Gesundheit der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker und am demokratischen Diskurs, wenn die Landesregierung endlich reagiert. So lange die Menschen dazu aufgerufen sind, die Zahl ihrer Kontakte gering zu halten, sollte auch die Kommunalpolitik die digitalen Werkzeuge in vollem Umfang nutzen dürfen. Düsseldorf, das nach dem Bekunden der schwarz-grünen Stadtregierung ein digitaler Vorreiter werden soll, könnte sich als Modellkommune profilieren.
Die Aussichten sind eher trübe. Wahrscheinlicher ist ein weiterer Winter, in dem der politische Austausch auf ein Mindestmaß reduziert werden muss. Das wäre nicht nötig gewesen.