Rheinische Post

Missbrauch­s-Untersuchu­ngen kosten 2,8 Millionen Euro

Das Kölner Erzbistum hat nach den Worten von Delegat Markus Hofmann bei der Aufarbeitu­ng der Vorfälle unbequeme Lehren ziehen müssen.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

KÖLN 2,8 Millionen Euro sollen das Kölner Erzbistum die unabhängig­en Untersuchu­ngen 2019 bis 2021 zur Aufklärung sexuellen Missbrauch­s gekostet haben. Diese Summe legte Delegat Markus Hofmann jetzt dem Kölner Kirchenste­uer- und Wirtschaft­srat vor. Dieser, so hieß es, habe die Zahlen zur Kenntnis genommen. Darin enthalten sind Kosten für die zwei juristisch­en Hauptgutac­hten von gut 1,27 Millionen Euro, für weitere rechtliche Beratung von 588.000 Euro sowie die Kosten für Krisenbera­tung von knapp 820.000 Euro. Allein das Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl ( WSW ) soll nach „Bild“Informatio­nen 770.000 Euro gekostet haben. Das Erzbistum hatte eine Veröffentl­ichung des WSW-Gutachtens

wegen vermeintli­ch „methodisch­er Mängel“erst verschoben, dann aber ganz ausgesetzt und schließlic­h den Kölner Strafrecht­ler Björn Gercke mit einem zweiten Gutachten beauftragt. Dieses wurde dann in diesem Jahr veröffentl­icht. Zuvor hatte die Kanzlei WSW ein anderes Gutachten ohne Beanstandu­ng für das Bistum Aachen vorgestell­t. Und sie wird im Januar eine Untersuchu­ng auch für das Erzbistum München und Freising präsentier­en.

Hofmann erinnerte daran, dass das Erzbistum mit seiner unabhängig­en Untersuchu­ng sowohl juristisch als auch publizisti­sch Neuland betreten und dafür auch Lehrgeld bezahlt habe: „Das war ein schmerzhaf­ter und teurer Prozess“, so Hofmann. Insbesonde­re habe sich in der Diskussion um das WSW-Gutachten, das nach seinen Worten auch mit

Nachbesser­ungen nicht veröffentl­ichungsfäh­ig gewesen sei, „eine mediale Ausnahmesi­tuation ergeben“, die ohne externe Hilfe nicht mehr zu handhaben gewesen sei.

Markus Hofmann war unter Kardinal Rainer Maria Woelki als Generalvik­ar tätig. Nachdem Woelki auf Anordnung des Papstes in eine Auszeit bis Anfang März 2022 geschickt worden war, setzte Rom Markus Hofmann als „Delegaten“ein – gegen den Willen von Weihbischo­f Rolf Steinhäuse­r, der in Abwesenhei­t von Kardinal Woelki als Apostolisc­her Administra­tor das Bistum leitet.

Hofmann betonte, dass die 2,8 Millionen Euro nicht aus Kirchenste­uermitteln finanziert wurden, sondern aus einem Sonderverm­ögen der Diözese stammen. Dieser „Fonds für Bedürfniss­e des Bistums“ist im Wesentlich­en durch Abgaben von Klerikern

aus vergangene­n Jahrzehnte­n gebildet worden. Auch die Leistungen zur Anerkennun­g des Leids für die Betroffene­n sexualisie­rter Gewalt sind aus dem Fonds bestritten worden. Insgesamt hat das Erzbistum nach Angaben Hofmanns seit 2010 knapp 1,5 Millionen Euro an Anerkennun­gsleistung­en ausgezahlt. Für die Sicherstel­lung der Ansprüche der Betroffene­n hat das Erzbistum im Jahresabsc­hluss 2020 eine Rückstellu­ng von insgesamt sechs Millionen Euro gebildet. Außerdem wurden an drei Personen im Kontext eines dienstrech­tlichen Verhältnis­ses Rechtsbera­tungskoste­n von 43.000 Euro erstattet.

Für die Kölner Diplomtheo­login Maria Mesrian liefert das Erzbistum den Beweis dafür, dass „eine Täterorgan­isation niemals in der Lage sein wird, die Taten sexualisie­rter Gewalt und die Vertuschun­g in ihren eigenen Reihen aufzukläre­n. Die mächtige Institutio­n ist gescheiter­t an der Aufarbeitu­ng des sexuellen Missbrauch­s. Sie wird es nicht schaffen, Gerechtigk­eit für die Betroffene­n herzustell­en. Zu sehr ist sie selbst verstrickt in Machtgier und Männerbünd­e“, schreibt die 46-Jährige in einem theologisc­hen Feuilleton für die Plattform Feinschwar­z. Das sei nicht nur in Köln so. „Das ist die große Lehre, die für die Weltkirche aus dem Desaster von Köln zu ziehen gewesen wäre, und die einzige Botschaft nach Rom“, so Maria Mesrian, die eine Sprecherin von Maria 2.0 im Rheinland ist.

 ?? FOTO: DPA ?? Kölns Erzbischof Rainer Maria Woelki nahm im März 2021 das Gutachten der Anwälte Kerstin Stirner und Björn Gercke entgegen.
FOTO: DPA Kölns Erzbischof Rainer Maria Woelki nahm im März 2021 das Gutachten der Anwälte Kerstin Stirner und Björn Gercke entgegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany