Rheinische Post

NRW gegen Corona-Kontrollen in Wohnungen

Das Land will die Impfpflich­t für Krankenhäu­ser und Heime rasch umsetzen. Für Gesundheit­sminister Laumann ist das nur ein erster Schritt. Der Ministerpr­äsident mahnt zur Vorsicht, will aber nicht Polizei zu privaten Feiern schicken.

- VON ANTJE HÖNING, MARTIN KESSLER UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Um Krankenhäu­ser und Altenheime besser vor Corona-Ausbrüchen zu schützen, will die Ampelkoali­tion im Bund noch in dieser Woche eine Impfpflich­t für die dort Beschäftig­ten auf den Weg bringen. Bis zum 15. März sollen sich alle Mitarbeite­r von Krankenhäu­sern, Altenheime­n, Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­g und Hebammen impfen lassen. Danach sollen Arbeitgebe­r Ungeimpfte an das Gesundheit­samt melden, das dann ein Betretungs­verbot ausspreche­n soll. So sieht es der Entwurf zu den Änderungen am Infektions­schutzgese­tz vor.

Landesgesu­ndheitsmin­ister KarlJosef Laumann (CDU) kündigte eine rasche Umsetzung der Impfpflich­t in Nordrhein-Westfalen an: „Wenn die berufsbezo­gene Impfpflich­t gesetzlich verankert ist, wird sie in NRW umgesetzt. Ich halte sie für den ersten Schritt in Richtung allgemeine Impfpflich­t.“

Die Krankenhau­sgesellsch­aft NRW begrüßt die Impfpflich­t. Gerade in Einrichtun­gen, in denen besonders Schutzbedü­rftige betreut werden, müsse alles dafür getan werden, um die Einfallsto­re abzudichte­n, erklärte Präsident Jochen Brink. Die 341 Krankenhäu­ser im Land beschäftig­en 276.000 Mitarbeite­r. Die Impfquote liegt hier laut Krankenhau­sgesellsch­aft über 90 Prozent; in Altenheime­n sieht es schlechter aus. Das Gesundheit­sministeri­um geht davon aus, dass rund 9000 Einrichtun­gen in der Pflege von der Impfpflich­t betroffen sind, dazu zählen auch ambulante Dienste.

NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst rief beim Besuch einer Impfstelle in Düsseldorf die Bevölkerun­g zu Einhaltung der strengeren Corona-Maßnahmen auf. Zugleich stellte er klar, dass die Polizei nicht im Privaten die Einhaltung der Kontaktbes­chränkunge­n für Ungeimpfte kontrollie­ren werde. Privatwohn­ungen seien ein grundrecht­lich besonders geschützte­r Raum. Diesen Raum wolle der Staat auch weiter schützen, sagte Wüst. „Ich fordere trotzdem alle Menschen auf, sich an die Regeln zu halten und nicht darauf zu setzen: Da guckt schon keiner hin.“Was Bund und Länder an Maßnahmen verabredet hätten, lasse Familienfe­iern im kleinen Raum unter Einschränk­ungen zu. „Ich finde, das sollte man dann auch machen“, so Wüst. Einen Lockdown lehnte er zum jetzigen Zeitpunkt ab: „Wir haben mehr umgesetzt, als wir nach den Zahlen hätten tun müssen.“Man müsse sehen, wie die Menschen reagierten, bevor man die Schraube immer weiter drehe.

Wüst sprach erneut von einer nationalen Kraftanstr­engung, um bis Weihnachte­n noch 16 Millionen Menschen zu impfen. Der amtierende Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) habe ihm bei einem Austausch versichert, dass genug Impfstoff vorhanden sei. „Es soll Ende der vergangene­n Woche zu der Situation gekommen sein, dass mehr Impfstoff verimpft wurde, als geliefert wurde. Das heißt, es war noch an der einen oder anderen Stelle was in den Depots. Ich bin der festen Überzeugun­g, dass sich das einruckeln wird“, sagte Wüst.

NRW gehört zu den vier Ländern in Deutschlan­d mit der höchsten Impfquote – auch beim Boostern. Belohnt wird es dafür mit einer im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern noch immer niedrigere­n Inzidenz von unter 300. Der Zusammenha­ng zwischen hoher Impfquote und relativ niedrigen Fallzahlen pro 100.000 Einwohner und Woche gilt unter den meisten Experten als unstrittig. „Die Bundesländ­er mit hoher Impfquote haben eine geringere Inzidenz und umgekehrt“, sagte der Chef der Virologie am Unikliniku­m Essen, Ulf Dittmer.

Die Physikerin und Epidemiolo­gin Viola Priesemann sieht NRW sogar in einer entscheide­nden Position. „Das größte Bundesland spielt in der Pandemie eine Schlüsselr­olle: Wenn in NRW die Kliniken überlastet sind, hat ganz Deutschlan­d ein Problem“, sagte Priesemann, die am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorga­nisation in Göttingen arbeitet. Auch die Krankenhäu­ser haben wegen der verzögerte­n Ausbreitun­g noch freie Kapazitäte­n und nehmen täglich Menschen aus den besonders betroffene­n Regionen in Sachsen oder Bayern auf. Doch die Lage dürfte trotz der höheren Impfquote schwierige­r werden. Denn jeder Vierte hat auch in NRW keinen ausreichen­den Impfschutz.

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