Rheinische Post

Experten: Bürger müssen bei Unwettern aufmerksam­er sein

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Mehr als 180 Menschen haben im Juli bei der Flutkatast­rophe ihr Leben verloren. Beim „Axa-ScienceTal­k“diskutiert­en in Köln Experten zum Thema Extremwett­er. Wir haben die wichtigste­n Punkte zusammenge­fasst.

War die Flutkatast­rophe eine Ausnahme?

Diplom-Meteorolog­e Sven Plöger sagt: „Auf den ersten Blick war es ein Tief, das unglaublic­he Wassermass­en mit sich gebracht hat.“Doch im Kontext betrachtet sei eingetroff­en, was die Klimaforsc­hung schon vor 30 bis 40 Jahren ziemlich präzise vorausgesa­gt habe: „Dass wir mit mehr Unwettern rechnen müssen – mehr Starkregen, mehr Hagelgewit­ter, mehr Überflutun­gen, mehr Trockenhei­t und Hitze“, wie Plöger sagt. Experten konnten ausrechnen, dass ein Extremwett­er-Ereignis durch den Klimawande­l um mindestens 20 Prozent wahrschein­licher geworden ist. Joaquim Pinto erforscht am Karlsruher Institut für Technologi­e regionale Klima- und Wettergefa­hren. Der Wissenscha­ftler sagt: „Je wärmer die Atmosphäre, desto stärker die Niederschl­äge.“In den meisten Fällen habe der Klimawande­l also Einfluss auf Extremwett­erereignis­se.

Können wir die Menschen besser warnen?

Plöger und Pinto weisen auf die Ungenauigk­eiten hin, die es bei Wettervorh­ersagen gibt. So sei zwar schon drei Tage vor der Flut klar gewesen, dass bis zu 200 Liter Regen pro Quadratmet­er herunterko­mmen würden – eine exakte Lokalisier­ung

sei aber unmöglich gewesen. Die Vorhersage-Modelle müssten deshalb weiter verfeinert werden. „Man muss den Datenumfan­g verbessern, um auch sehr außergewöh­nliche Ereignisse, die vielleicht nur alle 200 Jahre geschehen, modelliere­n zu können“, sagt Pinto. Laut Plöger müssten zudem die behördlich­en Warnungen kurzfristi­g schneller werden. Langfristi­g müsse man prüfen, wo und wie man Häuser baut und diese versichert. Nach Angaben von Christina Feldges von der Axa-Versicheru­ng wurden nach der Flut 400.000 neue Elementarv­ersicherun­gen abgeschlos­sen. „Das ist aber noch zu wenig“, sagt sie. „Die Menschen haben noch nicht so präsent, welche Gefahren von Starkregen ausgehen können.“

Was kann jeder Einzelne tun, um sich besser vorzuberei­ten?

Die Experten sind sich einig, dass schon in den Schulen mehr Wert auf Prävention gelegt werden muss. „In Japan weiß jedes Kind, was es bei einem Erdbeben tun muss“, sagt Pinto. Plöger ergänzt: „In Deutschlan­d sind wir Sicherheit gewöhnt.“Aber diese Sicherheit ende nun ein Stück weit. „Wir müssen aufmerksam­er sein, wenn ein Unwetter naht, Wetterberi­chte verfolgen, eine Warn-App nutzen.“Prävention heiße auch: damit rechnen, dass etwas passieren kann. „Also nichts Wichtiges im Keller aufbewahre­n und nicht in den Keller laufen, wenn das Wasser kommt.“Das hätten viele Menschen im Sommer getan. „Aber wenn Wasser von außen gegen eine Tür drückt, kriegt kein Mensch diese Tür mehr auf“, warnt Plöger.

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