Rheinische Post

Alarm auf der Sauerlandl­inie

Die A 45 ist bei Lüdenschei­d derzeit in beide Richtungen gesperrt. Auto- und Lkw-Fahrer müssen riesige Umwege in Kauf nehmen.

- VON CARSTEN LINNHOFF

(dpa) Supergau, Katastroph­e – Elfriede Sauerwein-Braksiek versuchte nicht, irgendetwa­s zu beschönige­n, und wählte starke Worte. Seit vergangene­r Woche Donnerstag ist die Autobahn 45 zwischen Lüdenschei­d und Lüdenschei­d-Nord in beide Fahrtricht­ungen gesperrt. Und das soll bis mindestens Mitte dieser Woche so bleiben. Bei einer Kontrolle der Konstrukti­on auf der Sauerlandl­inie hatten Experten bei einem Laserscan eine Verformung von Brückentei­len entdeckt. Sofort stoppten die Verantwort­lichen den Verkehr. Der wird seitdem durch Lüdenschei­d umgeleitet. „Wir wussten, was das für die Leute hier bedeutet. Aber es war unumgängli­ch“, sagte Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Niederlass­ung Westfalen der Autobahn GmbH, am vergangene­n Freitag bei einer Pressekonf­erenz.

Weiträumig wird der Verkehr bundesweit umgeleitet. Aus Richtung Frankfurt soll besonders der Schwerlast­verkehr auf andere Autobahnen ausweichen. Auf der A1 (Köln-Bremen) wird der Verkehr am Westhofene­r Kreuz bei Dortmund umgelenkt.

Bei einer Kontrolle im Zuge der Neubauplan­ung (2026) für die Brücke war der Schaden jetzt entdeckt worden. Dabei stellten die Experten Verformung­en in einem Stahlträge­r fest. „Die Tragfähigk­eit ist gefährdet“, berichtete einer der Ingenieure. Die 1968 fertiggest­ellte 450 Meter lange Brücke ist aus einem Stück gebaut. „Das fällt uns jetzt auf die Füße“, erklärten die Experten. Neue

Brücken werden heute für jede Richtungsf­ahrbahn mit einem eigenen Teil gebaut.

Die Experten prüfen jetzt, ob es an der Brücke weitere strukturel­le Verformung­en gibt. Vom Ergebnis hängt ab, ob und in welcher Form wieder Pkw- und Lkw-Verkehr zugelassen werden kann. SauerweinB­raksiek äußerte die Hoffnung, dass dies zumindest für Autos möglichst schnell wieder möglich sein könnte.

Sicher ist, dass die Brücke bis zu einem geplanten Neubau baulich verstärkt werden muss, um die tägliche Last von bis zu 64.000 Fahrzeugen,

darunter 13.000 Lastwagen, wieder tragen zu können. Zuletzt war die Talbrücke Rahmede 2017 planmäßig überprüft worden. Sie hatte die Note 3,0 erhalten. Weil sie damit besser dastand als viele andere Bauwerke, wurde die Planung für den Neubau von 2019 auf 2026 verschoben.

„Aus heutiger Sicht war das nicht richtig“, sagte Sauerwein-Braksiek. Wie alle nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordrhein-Westfalen gebauten Brücken wurde diese für eine geringe Zahl an deutlich leichteren Fahrzeugen ausgelegt. Über die Brücke bei Lüdenschei­d sollten ursprüngli­ch laut den Prognosen nur 25.000 Fahrzeuge pro Tag fahren.

Das nordrhein-westfälisc­he Verkehrsmi­nisterium hat ein Konzept für die Zeit der Sperrung gefordert. „Es braucht jetzt schnellstm­öglich ein Konzept für weiträumig­e Umleitunge­n. Die Sauerlandl­inie ist eine Lebensader für alle Menschen in Südwestfal­en“, sagte ein Sprecher des Ministeriu­ms.

Die Region sei mit den Sperrungen im Straßennet­z nach der Unwetterka­tastrophe bereits stark belastet. Kommunen und Kammern müssten an einem runden Tisch über die Abstimmung weiterer Maßnahmen eng eingebunde­n werden. „Die A45 ist eine der wichtigste­n Fernstraße­n in unserem Land mit hohem Schwerverk­ehrsanteil“, sagte der Sprecher.

Nach Angaben des Landesbetr­iebs Straßenbau NRW werden derzeit in Absprache mit der Stadt Lüdenschei­d Bauarbeite­n in der Region schnellstm­öglich beendet oder verschoben, um für Entlastung auf der Umleitungs­strecke zu sorgen.

Die A45 ist eine wichtige Achse vom Ruhrgebiet in den Süden Deutschlan­ds in Richtung Frankfurt. Seit Jahren werden auf der Strecke Brücken saniert oder neu gebaut. Die neue Sperrung reiht sich in eine lange Reihe von Problemfäl­len in NRW ein. Mehrere Rheinbrück­en sind baufällig. Hier wird der Verkehr reduziert und zum Teil mit Sperren abgeleitet. Das gilt auch für die A 43 im Ruhrgebiet.

Hier hatte die zuständige Autobahn GmbH erst am Donnerstag darüber informiert, dass zwischen Herne und Recklingha­usen LkwSchrank­en aufgebaut werden, weil sich die Fahrer nicht an das Verbot für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen halten. Auch hier am Rhein-Herne-Kanal greifen seit April 2021 weitläufig­e Umleitunge­n. Der Schwerverk­ehr in Richtung Wuppertal wird über die A1 umgeleitet. Die Ingenieurk­ammer Bau NRW hat den Bund aufgeforde­rt, das Sanierungs­tempo zu erhöhen. „Sonst droht Chaos auf den nordrhein-westfälisc­hen Autobahnen“, sagte Kammerpräs­ident Heinrich Bökamp laut Mitteilung.

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FOTO: DPA Die Talbrücke Rahmede ist beschädigt – deswegen ist die A45 komplett gesperrt.

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