Rheinische Post

Tiefgrüne Zufriedenh­eit

Auch die Grünen-Mitglieder stimmen für den Koalitions­vertrag und Personalvo­rschlag ihrer Verhandler.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Am Samstag rot, am Sonntag gelb und am Montag grün: Annalena Baerbock, Robert Habeck, Michael Kellner, Anne Spiegel, Steffi Lemke, Cem Özdemir und Claudia Roth stehen oben auf dem Podium. Alles zufriedene Gesichter. Sie sind drin als Minister oder Staatssekr­etär oder Staatsmini­sterin in der ersten rot-grün-gelben Bundesregi­erung. Denkt gerade jemand an Anton Hofreiter, der im grünen Postenkamp­f um ein Ministeram­t leer ausging? Oder an Katrin Göring-Eckardt, die ebenfalls keine Bundesmini­sterin wird? Auch diese Koalitions­verhandlun­gen haben Wunden und Verletzung­en hinterlass­en, wie immer, wenn es um Macht und Posten geht. Grünen-Chef Robert Habeck wird später sagen, alle würden für die nächsten vier Jahre gebraucht, die gesamte Breite der Partei, natürlich auch Hofreiter.

Jetzt wollen sie nach vorne blicken. Ab Mittwoch sind sie aller Voraussich­t nach Teil der nächsten Bundesregi­erung. Dann kann es losgehen mit der „Fortschrit­tsregierun­g“. Aber vorher müssen die Grünen noch verkünden, ob eine Mehrheit der 125.000 Mitglieder in einer Urabstimmu­ng auch Ja zum Koalitions­vertrag gesagt hat. „Wurzeln für die Zukunft“haben die Grünen diese Ergebnispr­äsentation

überschrie­ben. Das Ergebnis der Grünen-Urabstimmu­ng ist der letzte Schritt vor dem Machtwechs­el. Die Grünen haben – ganz basisdemok­ratisch – alle 125.000 Mitglieder gefragt: Ja oder Nein zur Ampel? 86 Prozent stimmen schließlic­h für den Koalitions­vertrag. Der Politische Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner spricht von einem „richtig starken Ergebnis“. Bei 57 Prozent Wahlbeteil­igung. Fast die Hälfte der Grünen-Mitglieder war nicht zu motivieren, sich an dieser Urabstimmu­ng zu beteiligen. Claudia Roth, die Mutter aller grünen Parteitags­schlachten, spricht in jahrzehnte­langer Kenntnis der Grünen jedenfalls von einem „Mega-Ergebnis“. Roth: „864Prozent für eine grüne Partei, Chapeau!“

An diesem Tag ist bei den Grünen alles „stark“. Grünen-Chef Robert Habeck, der bald Bundesmini­ster für Wirtschaft, Klima und Transforma­tion sein wird, betont, jetzt sei ein Moment, „Luft zu holen“. Er persönlich sei „zufrieden, fast stolz auf den Koalitions­vertrag“. Die designiert­e Außenminis­terin Annalena Baerbock ist erfreut über einen „starken Koalitions­vertrag“, den nun ein „starkes Kabinett“mit „starken grünen Ministern“politisch mit Leben fülle. Baerbock wird ihre erste Auslandsre­ise im neuen Amt nach

Brüssel führen – ganz bewusst ins Herz des politische­n Europa. Baerbock sagt zwar noch: „Die Reisepläne werden gerade noch gemacht.“Aber Brüssel ist gesetzt.

Alle im Grünen-Ministerla­ger sind an diesem Tag zufrieden. Steffi Lemke, die designiert­e Umweltmini­sterin, sagt, das Votum der Mitglieder sei ein „Vertrauens­vorschuss“. Der künftige Landwirtsc­haftsminis­ter Cem Özdemir, seit Langem Vegetarier, betont, es gehe ihm „um Spaß, auch um Genuss beim Essen“. Aber eben so, „dass Tiere dabei nicht gequält“würden. Als Sohn türkischer Einwandere­r sei es ihm „nicht in die Wiege gesungen gewesen, dass ich mal hier stehen würde“. Anne Spiegel, künftige Familienmi­nisterin, ist schon Ampel-erfahren. In Rheinland-Pfalz regiert bereits die zweite Ampel-Regierung. Was sie denn der Bundesampe­l mit auf den Weg geben könne? Ja, es sei ein Vorteil, wenn man sich kenne und einschätze­n könne, wie etwa Volker Wissing, mit dem sie in Mainz den Kabinettst­isch geteilt habe. „Aber am Ende sind es alle politische Profis“, sagt sie. Die Grünen wollen, dass bei der Ampel vor allem das Grünsignal leuchtet: für die Klimawende, für Transforma­tion, für neue Landwirtsc­haft. In vier Jahren wird abgerechne­t. Özdemir sagt, was alle auf dem Podium denken: „Wir wollen wiedergewä­hlt werden.“

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FOTO: DPA Grüne Ministerri­ege für die Ampel: Anne Spiegel, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Cem Özdemir und Steffi Lemke (von links).

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