Der Lauterbach-Moment von Olaf Scholz
Die SPD-Minister haben den ersten Charaktertest bestanden, den der nächste Kanzler von ihnen verlangte: Keiner plauderte die Kabinettsliste aus. Beim Gesundheitsminister folgte Scholz dem öffentlichen Druck.
BERLIN „Er wird es!“, sagte Olaf Scholz und rief Deutschlands „CoronaProfessor“zu sich auf die Bühne. Die meisten Bürger hätten sich gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach sei „und dass er Karl Lauterbach heißt“. Jubel im Willy-Brandt-Haus, auch in den sozialen Medien wurde die Personalie überwiegend gefeiert. Lange hieß es aus der SPD, Scholz wolle den Leverkusener Gesundheitsexperten gar nicht berufen. Vor einer Woche änderte sich das Meinungsbild. Als Lauterbach am Sonntagabend bei „Anne Will“saß, wusste er bereits von seinem Glück. Er ließ sich nichts anmerken – Test bestanden. Stolz ist Scholz, dass im Ampelkabinett acht Frauen und acht Männer sitzen. Parität war ein Wahlkampfversprechen. Zählt man Scholz mit (wie es das Grundgesetz vorsieht), steht es im Kabinett allerdings 9:8. Scholz ficht das nicht an: „Frauen haben die Hälfte der Macht.“Neben Lauterbach ist Nancy Faeser als Innenministerin die größte Überraschung. Die bisherige Justizministerin Christine Lambrecht gibt dafür im Verteidigungsressort den Ton an: „Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen“, sagte Scholz. Die sieben SPD-Minister im Überblick:
Wolfgang Schmidt (51), Kanzleramtsminister
Er wird in der Machtzentrale für Scholz so wichtig sein wie FrankWalter Steinmeier in selber Funktion für Gerhard Schröder. Seit 20 Jahren ist Schmidt an Scholz' Seite. Immer wieder wirft er sich bei Twitter wie ein digitaler Bodyguard vor seinen Chef, etwa in der „Cum-Ex“-Steueraffäre. Schmidt will zum Start gemeinsam mit einem Bundeswehr-General die Impfkampagne von Bund und Ländern
antreiben. Wo sieht man ihn sonst? Bei (fast) jedem St. Pauli-Spiel oder auf ein Bier mit dem Musiker Thees Uhlmann (Tomte).
Nancy Faeser (51), Innen
Zum ersten Mal gibt es eine Bundesinnenministerin. Die hessische SPD-Landeschefin folgt auf Horst Seehofer. „Ein besonderes Anliegen wird mir sein, die größte Bedrohung, die derzeit unsere freiheitlich demokratische Grundordnung hat, den Rechtsextremismus, zu bekämpfen.“In Hessen machte sie sich bei der Aufarbeitung der NSU-Morde und des rassistisch motivierten Mordanschlags von Hanau einen Namen. Gelingt ihr das auf Bundesebene, könnte Faeser in zwei Jahren als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) herausfordern.
Karl Lauterbach (58), Gesundheit
Der SPD-Gesundheitsexperte und Corona-Erklärer ist nicht zuletzt wegen des enormen öffentlichen Drucks als Minister von Olaf Scholz vorgeschlagen worden. Lauterbach ist beliebt und verhasst zugleich, braucht Personenschutz wegen Anfeindungen von Querdenkern. Doch kaum ein anderer Sozialdemokrat bringt mehr Erfahrung und Sachverstand in der Gesundheitspolitik mit. Die Herausforderung für Scholz und Lauterbach selbst: Die Kultfigur in die Regierungsdisziplin einbinden, die Pandemie beenden und zugleich die zahlreichen anderen Baustellen im Gesundheitswesen
erfolgreich angehen.
Christine Lambrecht (56), Verteidigung
Sie hatte sich schon abgemel- det aus der Bundespolitik, jetzt folgt der Karrierehöhepunkt. Die frühere Abgeordnete aus Hessen trat bei der Bundestagswahl nicht erneut an, soll jetzt aber die Bundeswehr durch unsichere internationale Zeiten führen. In der scheidenden Regierung war Lambrecht Justizministerin und nach Franziska Giffeys Rücktritt auch für das Familienressort zuständig. Lambrecht gilt als durchsetzungsstark und pflichtbewusst. Mit Verteidigungspolitik hatte die frühere Fraktionsmanagerin jedoch bislang kaum Berührungspunkte.
Hubertus Heil (49), Arbeit und Soziales
Der Mann aus Peine wurde von Scholz als „Schlacht- und Niedersachsen-Ross“geadelt. Heil war in der Pandemie als Herr über das Kurzarbeitergeld sehr präsent. Er boxte gegen Widerstand der Union die Grundrente durch. Jetzt muss er zwölf Euro Mindestlohn, das Bürgergeld und Rentenreformen durchsetzen.
Klara Geywitz (45), Bauen
Olaf Scholz hat eine besondere Beziehung zur künftigen Bauministerin. Sie tourte 2019 mit ihm durch die Republik bei der erfolglosen Bewerbung für den Parteivorsitz. Die Brandenburgerin machte damals deutlich, sie wolle „nicht das dekorative Salatblatt an seiner Seite“sein. Die SPD will soziale Ungerechtigkeit beim Wohnen bekämpfen, Geywitz soll den Bau von jährlich 400.000 Wohnungen managen.
Svenja Schulze (53), Entwicklung
Mit dem mächtigen NRW-Landesverband im Rücken war klar, dass die bisherige Umweltministerin weiterhin Teil des Kabinetts sein würde. Zuletzt verhandelte sie bei der Klimakonferenz in Glasgow die künftigen Klimaschutzmaßnahmen für Deutschland – in enger Abstimmung mit dem Entwicklungsministerium, das sie künftig leiten wird. Eine ihrer Hauptaufgaben: arme Länder im Kampf gegen die Erderwärmung und die Corona-Pandemie unterstützen.