Was bei Borussia alles im Argen liegt
ANALYSE Manager Max Eberl und Trainer Adi Hütter haben nicht nur wegen des 0:6 gegen Freiburg einige Baustellen abzuarbeiten in Gladbach. Warum die Trainer-Position selbst nicht dazugehört, dafür aber das Selbstverständnis und die Kaderplanung.
MÖNCHENGLADBACH Die Aufregung nach dem 0:6 gegen den SC Freiburg übersteigt noch einmal die nach dem 1:4 gegen den 1. FC Köln. Hinter Borussia liegt eine Horrorwoche, die Fragen aufwirft. Wir beantworten ausführlich die wichtigsten.
5:0 gegen Bayern, 0:6 gegen Freiburg – warum neigt Borussia zu Extremen? „Gegen Bayern haben wir alle gestaunt. Das tun wir jetzt auch, nur in einer anderen Form“, sagte Adi Hütter. Gladbachs Trainer betonte, dass er sich angesichts des Wankelmuts seiner Mannschaft keinesfalls hilflos fühle, eine Erklärung fiel ihm wie allen Beteiligten aber schwer. „Wir sind vor dem Köln-Spiel auf einem sehr ordentlichen Weg gewesen. Allein die Statistik, dass wir viel weniger Gegentore bekommen hatten, sprach eine deutliche Sprache. Jetzt kriegen wir in zwei Spielen einfach zehn“, sagte Hütter. Dass Borussia sich gegen Top-Gegner auf der großen Bühne besser aufraffen kann, ist eine allzu naheliegende Erklärung. Ganz so leicht ist es auch nicht, Gladbach bringt seine Qualität allgemein gegen mitspielende Teams besser auf den Rasen – und dazu zählen in der Regel die großen Gegner.
Droht ein Abrutschen in den Abstiegskampf?
Fünf Punkte Rückstand hat Borussia auf die Europapokal-Ränge, fünf Vorsprung auf den Relegationsplatz – willkommen im Niemandsland der Tabelle. Allein das ist ein Alarmsignal, doch nahezu alle relevanten Statistiken sehen die Fohlen deutlich besser. Das sollte nicht außer Acht gelassen werden in der Gesamtbetrachtung. Sich darauf zu verlassen, dass sich die Dinge von alleine geraderücken, wäre allerdings fatal. Nach dem Derby machte die Außendarstellung ein wenig den Eindruck, als sei alles gar nicht so verkehrt gewesen. Das Fanprojekt kritisierte in einem Statement einmal mehr die „Wohlfühloase“in Gladbach.
Steht Trainer Hütter zur Debatte?
Manager Eberl schien weit entfernt zu sein von einem öffentlichen Wutausbruch. Er regte sich erst auf, als ein Reporter wissen wollte, ob der gemeinsame Weg mit Hütter mittelfristig zur Debatte stehe. „Für mich ist es absurd, dass ich in der heutigen Zeit darüber sprechen muss. Da fehlen mir die Worte“, sagte Eberl. Tatsächlich ist es nahezu unvorstellbar, dass eine Trainer-Diskussion in Gladbach entsteht. Zu überzeugt ist der Klub von Hütter, der für sich reklamieren
kann, dass er erkannt hat, wo er bei der Mannschaft ansetzen muss. Siege wie gegen Bayern, Dortmund oder Wolfsburg zeugen davon, dass die Arbeit auch Früchte trägt.
Das Problem ist eher, wie schwer die Spieler sich tun, die Ideen konstant umzusetzen. Das liegt mehr am Kader als am Trainer. Verdeutlicht wird das durch die Tatsache, dass sich entscheidende Defizite mit Marco Roses Abschied nicht in Luft aufgelöst haben. Es droht die zweitschwächste Hinrunde seit der Relegationssaison 2010/2011.
Wo muss Hütter jetzt ansetzen?
„Das darf uns in der Form nicht passieren“, sagte er nach dem FreiburgDebakel. „Es gilt, immer wieder zu analysieren, drüber zu sprechen, Dinge zu sehen und dann möglicherweise zu verändern.“Hütter hat das auch schon konsequenter getan als manch einer seiner Vorgänger: Er hat das System geändert, junge Spieler eingebaut, solche wie Florian Neuhaus degradiert, die den intensiven Stil noch nicht verinnerlicht haben, gegen Freiburg saß Kapitän Lars Stindl zunächst nur auf der Bank. Bis auf die Innenverteidigung ist Hütters Auswahl jetzt auch wieder groß genug. Er muss vor allem die Führungsriege in die Pflicht nehmen. Dass von einem Lars Stindl oder einem Matthias Ginter nach beiden Pleiten nichts zu hören ist, kann nicht sein.
Wo liegen die Probleme im Kader?
Bei Denis Zakaria und Ginter, deren Verträge auslaufen, steckt der Manager in der misslichen Lage, dass er das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand hat. Zwei Spieler, die in Summe 30 Millionen Euro gekostet haben und an die 60 wert sind, drohen ablösefrei zu gehen. Gleichzeitig wäre es fatal für die kurzfristigen Ziele, sie im Winter zu verkaufen. Andere Spitzenspieler mit längeren Vertragslaufzeiten erwecken zudem den Eindruck, sich nicht ausreichend mit dem Hier und Jetzt zu befassen.
Die Lage ist misslich, der Kader leidet in einer finanziell herausfordernden Phase unter einem Entwicklungsstau. Das Team bräuchte einen Martin-Stranzl-Typen in der Abwehr, einen Führungsspieler im Mittelfeld, einen Dribbler im Angriff. Eberls Dilemma: Die wechselhaften Leistungen lassen die Marktwerte nicht gerade explodieren, eine Finanzspritze durch den Europapokal ist aktuell nicht in Sicht und die neuen Zuschauer-Beschränkungen sorgen für weitere Einbußen.