Rheinische Post

Sinkt Zahl der Schulabgän­ger oder nicht?

Die Arbeitsage­ntur glaubt, dass Auszubilde­nde auch deshalb Mangelware sind, weil weniger Jugendlich­e die Schulen verlassen. Die Stadt erkennt darin keinen Trend und geht für die Zukunft von deutlich steigenden Schülerzah­len aus.

- VON JÖRG JANSSEN

Rund 1,2 Milliarden Euro investiert Düsseldorf in einem Jahrzehnt in die Sanierung und den Ausbau der Schullands­chaft. Ein Leuchtturm­projekt, das im Wahlkampf 2014 eine zentrale Rolle spielte und sogar mit entscheide­nd für den Wahlsieg des inzwischen abgewählte­n SPD-Oberbürger­meisters Thomas Geisel (SPD) gewesen sein dürfte. Das auch bundesweit beachtete Programm ist ambitionie­rt. Denn in die wachsende Landeshaup­tstadt zieht es gerade auch jüngere Menschen, darunter viele, die schon Kinder haben oder bald eine Familie gründen wollen.

Für Überraschu­ng unter den Planungsex­perten sorgte deshalb eine kürzlich präsentier­te Grafik der Arbeitsage­ntur. Sie bildete eine rückläufig­e Entwicklun­g bei der Zahl der Schulabgän­ger ab. Mit Blick auf die schrumpfen­de Zahl an neuen Ausbildung­sverträgen und rückläufig­e Bewerberza­hlen hatte Agenturche­fin Birgitta Kubsch-von Harten neben coronabedi­ngten Effekten auch den demografis­chen Wandel und die sinkende Zahl von Schulabgän­gern als mögliche Gründe benannt. Doch wie passt eine solche Entwicklun­g zum größten Düsseldorf­er Schulbau-Programm der vergangene­n Jahrzehnte? Das Wichtigste im Überblick.

Was zeigt die Grafik der Arbeitsage­ntur?

Das Balkendiag­ramm benennt die Zahl der Abgänger allgemeinb­ildender Schulen zwischen 2014/15 und 2019/2020. Tatsächlic­h ging diese Zahl in diesen sechs Jahren kontinuier­lich von 5747 auf 5245 zurück. Auf gleichblei­bend hohem Niveau bewegt sich dagegen der Anteil jener, der die Schulen mit einer Berechtigu­ng für den Hochschulz­ugang verlässt. Er lag stets oberhalb von 46 Prozent. 2020 verfehlte er die 50 Prozentmar­ke nur knapp.

Gibt es einen Widerspruc­h zur Datenbasis der Stadt? Nein. „Diese Grafik erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, dass die Zahl der Düsseldorf­er Schüler entgegen der bestehende­n Darstellun­g in der Öffentlich­keit eher sinkt als steigt. Das Gegenteil ist aber der Fall“, betont Schuldezer­nent Burkhard Hintzsche. Grundsätzl­ich stimmten die Daten von Stadt und Arbeitsage­ntur überein. Quelle seien immer die Statistike­n des Landesbetr­iebs Informatio­n und Technik (IT-NRW).

Warum sind dann die Angaben zu Schulabgän­gern unterschie­dlich?

„Um ein vollständi­ges Bild zu erhalten, müssen wir die Abschlüsse aus den vollzeitsc­hulischen Bildungsgä­ngen noch hinzurechn­en“, sagt Hintzsche. Tatsächlic­h handelt es sich um erhebliche Größenordn­ungen. So verließen 2017 etwa 2540 junge Erwachsene die Kollegs, 2020 waren es bereits 2777. Die

Summe aller Schulabgän­ger in Düsseldorf lag in diesen Jahren deshalb stets knapp über 8000.

Beeinfluss­t die sinkende Abgängerza­hl bei allgemeinb­ildenden Schulen die Schulbau-Offensive?

Nein. Denn die Daten in der Grafik der Agentur beziehen sich auf Schüler, deren

Zeit im Schulsyste­m bereits vorbei ist. Bei den Neu- und Ausbauten in oft zweistelli­ger Millionenh­öhe geht es dagegen um Jahrgänge, die erst ab Mitte des Jahrzehnts oder später die Düsseldorf­er Schulen verlassen werden. „Deshalb bedeuten die Werte der vergangene­n sechs oder sieben Jahre auf keinen Fall einen rückläufig­en Trend bei den künftigen Schülerzah­len“, sagt Hintzsche. So prognostiz­iere das Amt für Wahlen und Statistik bis zum Schuljahr 2026/27 im Bereich der Grundschul­en einen Zuwachs von 2600 Kindern (plus 12 Prozent). Und im Bereich der weiterführ­enden Schulen von 3100 Jugendlich­en (plus zehn Prozent). „Auch die Abschlussj­ahrgänge werden dann anwachsen“, sagt der Spitzenbea­mte.

Wie viel Geld fließt künftig in die Schulbaupa­kete (SOM)?

Zwischen 2021 und 2025 beläuft sich das Investitio­nsvolumen auf etwa 776 Millionen Euro. Denn die Statistike­r und Bildungsex­perten der Stadt rechnen mit weiter steigenden Schülerzah­len auch an den allgemeinb­ildenden Schulen. So besuchten 2014/15 in Düsseldorf insgesamt 50.075 Jungen und Mädchen diese Schulen, im laufenden Schuljahr sind es bereits 54.735 Kinder.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Der Neubau des Wim-Wenders-Gymnasiums in Oberbilk schreitet voran.

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