Die Kulanz der Kultur
Wer Karten für ein Konzert, Theater oder Kabarett etwa als Weihnachtsgeschenk kaufen möchte, sieht unsicheren Zeiten entgegen. Und auch das Rückgaberecht für gekaufte Tickets ist kompliziert – das sind die Rechte der Kunden.
DÜSSELDORF Die schlechte Nachricht ist: Das Rückgaberecht für Konzertkarten oder andere Tickets aus dem Kulturbereich ist kompliziert. Die gute Nachricht ist: Die meisten Veranstalter zeigen sich ausgesprochen kulant und versuchen, mit ihren Kunden eine Lösung zu finden.
Kann man gerade bedenkenlos Karten für Konzert, Theater oder Kabarett kaufen?
Das hängt von der eigenen Risikoeinschätzung ab und von der Zusammensetzung der Gruppe, mit der man die Kulturveranstaltung besuchen möchte. Bei einer Gruppe geimpfter Erwachsener ist ein Besuch gut möglich, selbst wenn die 2G-Regel gilt. Bei Familien mit derzeit (noch) ungeimpften Kindern im Grundschulalter kann es schwierig werden, selbst wenn Kinder und Jugendliche bislang von der 2G-Regel ausgenommen sind, denn sie können schnell von einer Quarantäne betroffen sein. „Viele Veranstalter bieten deshalb derzeit eine Art kleine Versicherung an mit einer Flex-Option für coronabedingte Verhinderungen“, sagt Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale NRW. Das heißt: Die Kunden zahlen einen kleinen Aufpreis und können aber – etwa bei einer Quarantäne – auf einen anderen Termin ausweichen.
Für wen gilt die sogenannte Gutscheinregelung?
Die Regelung betrifft Ticketkäufe vor dem 8. März 2020. Wenn das Event wegen Corona ausfällt oder verschoben ist, bekommen die Kunden nicht wie eigentlich üblich ihr Geld zurück, sondern einen Gutschein. Erst ab 1. Januar 2022 können die Käufer, die ihren Gutschein noch nicht eingelöst haben und ihn nicht einlösen wollen, ihr Geld beim Veranstalter zurückfordern.
Müssen Veranstalter Anfang 2022 eine Rückforderungswelle fürchten?
Das ist schwer zu sagen. „Ein Teil der Gutscheine wurde sicherlich eingelöst, aber eine unbekannte Zahl an Gutscheinen schlummert vermutlich noch“, sagt Husemann.
Welche Regeln gelten für Karten, die nach dem 8. März 2020 gekauft wurden oder die jetzt aktuell gekauft
werden? Dann gilt die übliche gesetzliche Regelung: Findet eine Kulturveranstaltung nicht statt, hat der Kunde Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises. „Wir sind inzwischen sehr erprobt darin, unsere Kunden anzuschreiben und das Geld zu erstatten“, sagt Jens Breder von der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. „Es gibt sogar viele Kunden, die auf eine Erstattung verzichten, um uns zu unterstützen.“
Wenn ein Konzert aber nicht ausfällt, sondern verschoben wird: Muss ich
den Ersatztermin akzeptieren? Dazu gibt es bislang keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung. Wenn ein alternativer Konzerttermin angeboten wird, und man kann ihn nicht wahrnehmen – weil man etwa in Urlaub oder auf Fortbildung ist –, sollte man dies nachweisen“, rät Rechtsanwalt Oliver Braun. „Der Streitwert bei Karten für Kulturveranstaltungen ist in der Regel nicht hoch. Daher würde im Fall des Falles das jeweils zuständige Amtsgericht entscheiden. Wenn man aber nicht gerade zwei Premium-Konzertkarten
für Helene Fischer habe, sei die Summe für die Tickets oft nicht so hoch, sodass noch nicht einmal eine Berufung möglich wäre. „Bei solchen Beträgen stehen die Kosten der Rechtsdurchsetzung oft nicht im Verhältnis zum Kartenpreis. Deshalb würde ich immer ein Gespräch mit dem Veranstalter empfehlen“, rät Anwalt Braun.
Wie sieht die Ticketrückgabe in der Praxis aus?
„Die formale Rechtslage ist die eine Sache. Wie man es tatsächlich lebt, eine andere“, sagt Rechtsanwalt Braun. Es gibt viele Anbieter, die sich sehr kulant zeigen und sehr höflich. „Es ist zu Beginn der Pandemie schon mal zu Ärger gekommen, wenn es um viele Konzerte an vielen Orten ging und der Kundenservice schlicht überlastet war“, sagt Husemann. „Bei uns werden die meisten Probleme über Gutscheine gelöst“, sagt Sabine Mund vom Theater Krefeld-Mönchengladbach. Rückgabe und Erstattung kämen eher selten vor. Theatergänger seien oft „Wiederholungstäter“und freuen sich dann auf eine andere Veranstaltung. „Wir prüfen aber jeden Fall individuell“, sagt Mund.
Wer trägt bei Gutscheinen das Insolvenzrisiko?
Ganz klar: die Ticketkäufer mit den Gutscheinen. „Sollte ein Veranstalter Insolvenz anmelden, dann ist das Geld weg“, sagt Husemann von der Verbraucherzentrale.
Wie lange sind Wertgutscheine gültig?
Wertgutscheine sind drei Jahre gültig. Es gilt die übliche Verjährungsfrist.
An wen muss sich der Kunde für die Erstattung wenden?
An den Veranstalter, nicht an die Online-Agenturen wie Eventim oder andere Vorverkaufsstellen. „Der Veranstalter wird stets auf der Eintrittskarte vermerkt“, sagt die Verbraucherschützerin. Ausnahme: Der Veranstalter hat die Rückgabe an seine Vorverkaufsstellen delegiert. Wie zum Beispiel Michael Hilgers, Geschäftsführer des Sparkassenparks Mönchengladbach: „Bei uns läuft die Rückgabe über das Ticket-System. Die Kunden wenden sich an die Stelle, bei der sie gekauft haben.“
An wen wende ich mich, wenn es Ärger gibt?
Der Veranstalter ist der erste Ansprechpartner. Sollte man sich nicht einigen, kann man einen Rechtsanwalt einschalten oder eine Rechtsberatung der Verbraucherzentrale in Anspruch nehmen. Beides kostet aber Geld. Auf der Internetseite der Verbraucherzentrale (www.verbraucherzentrale.nrw) gibt es Musterbriefe für die Erstattung der Ticketpreise.
Lohnt es sich zu klagen? „Das ist eine Gratwanderung“, sagt Husemann. Natürlich hat man im Zweifelsfall das Recht, sich das Geld zurückzuholen, aber es hängt natürlich davon ab, was die Tickets gekostet haben. Und man tritt dann in der Regel mindestens mit 20 bis 30 Euro in Vorleistung.
Wie hilfreich ist im Streitfall ein Mahnbescheid?
Der Mahnbescheid ist ein niederschwelliges Verfahren, bei dem man ein Online-Formular ausfüllt. Die Kosten liegen bei 20 bis 30 Euro. Wenn der Veranstalter nicht widerspricht, hat man dann zumindest einen Vollstreckungstitel.
Kann ich die Karten zurückgeben, wenn ich Angst vor einer CoronaAnsteckung habe? Rechtlich gesehen: Nein. „Angst, sich anzustecken, ist kein Rücktrittsgrund“, sagt die Verbraucherschützerin. Man könne aber durchaus dem Veranstalter seine Sorgen schildern und auf Kulanz hoffen.
Wie ist die Situation für Ungeimpfte oder noch nicht vollständig Geimpfte, wenn als Zugangsregel 2G gilt?
„Rechtlich ist diese Situation noch offen“, sagt Iwona Husemann. Wenn die 2G-Regel für Veranstaltungen behördlich angeordnet ist, darf der Veranstalter die Leistung sogar nicht erbringen. Deshalb könnte dann die Rückzahlung möglich sein, allerdings: Es gibt eine Ausnahme im Gesetz, wenn der Betreffende mit dafür verantwortlich ist, dass die Leistung nicht erbracht werden kann. Dies ist derzeit noch völlig offen. Vertretbar ist die Meinung, dass ohne allgemeine Impfpflicht keine Mitwirkungspflicht der Teilnehmer besteht. Es besteht aber das Risiko, dass die Gerichte eine Verantwortung zum Impfen sehen. Auch da versucht man am besten, eine Einigung mit dem Veranstalter zu erzielen.