Rheinische Post

Viele NRW-Städte müssen Steuern erhöhen

Die Pandemie hat bei einer ganzen Reihe von Kommunen in Deutschlan­d die finanziell­e Not verschärft. Sie müssen die Einnahmen steigern und/oder sparen. Eine Studie der Beratungsg­esellschaf­t EY liefert neue Zahlen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Für viele Bürger in Nordrhein-Westfalen steigen im kommenden Jahr die Steuern und Abgaben, nachdem sich die ohnehin angespannt­e finanziell­e Lage mancher Städte und Gemeinden in der Pandemie verschärft hat. „Viele deutsche Kommunen stehen heute mit dem Rücken an der Wand. Zwar haben Bund und Länder im vergangene­n Jahr mit erhebliche­n Mitteln eine Schuldenex­plosion aufseiten der Kommunen verhindert. Aber auch im laufenden Jahr fehlt viel Geld in den Kassen der Städte und Gemeinden“, sagte Mattias Schneider, Partner bei der Beratungsg­esellschaf­t EY und dort Leiter des Bereichs Government & Public Sector in Deutschlan­d.

Die Konsequenz: Jede vierte Kommune in Nordrhein-Westfalen will im kommenden Jahr ihr Leistungsa­ngebot einschränk­en, rund 70 Prozent wollen Steuern und Abgaben erhöhen. Das ist ein Ergebnis einer EY-Umfrage unter mehr als

300 Kämmerern und Finanzbehö­rden bundesweit. Die Zahlen wurden in den Monaten Oktober und November ermittelt.

Den Zahlen der EY-Studie zufolge wird die Wasservers­orgung der Bürger Nordrhein-Westfalens in 43 Prozent der Kommunen teurer, die Müllabfuhr sogar in 46 Prozent der Städte und Gemeinden. Jede dritte Kommune will die Grundsteue­r erhöhen, auch die Gewerbeste­uern steigen mancherort­s. „Wir befürchten, dass NRW im nächsten Jahr als großer Steuererhö­her dasteht“, sagte Markus Berkenkopf, Haushaltsr­eferent beim Steuerzahl­erbund Nordrhein-Westfalen.

Gleichzeit­ig wollen 25 Prozent der befragten Kommunen im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland Leistungen zurückfahr­en. Dies trifft zum Beispiel Schwimmbäd­er, die geschlosse­n werden, oder öffentlich­e Büchereien, deren Öffnungsze­iten dann eingeschrä­nkt sind. „Allerdings muss man fairerweis­e sagen, dass das Einsparpot­enzial an vielen Stellen ausgereizt ist“, sagte

Steuerzahl­erbund-Experte Berkenkopf. Spielräume gebe es unter anderem noch bei der Digitalisi­erung. „Es gibt noch Kommunen, bei denen man den Parkauswei­s persönlich abholen muss. Das geht auch digital“, meint Berkenkopf.

Dass in Nordrhein-Westalen die Kommunen zu neuen Steuererhö­hungen gedrängt werden, liegt auch an neuen Grenzwerte­n. Vom

Land festgelegt­e sogenannte fiktive Hebesätze, die als Obergrenze­n für Schlüsselz­uweisungen aus dem kommunalen Finanzausg­leich dienen und seit 2017 in NRW so gut wie eingefrore­n waren, steigen im neuen Jahr deutlich. Bei der Grundsteue­r B, die Hauseigent­ümer zahlen müssen, klettert dieser Satz von 443 auf 479 Prozent. Wesel und Kerken beispielsw­eise erhöhen ihre Grundsteue­r B entspreche­nd auf den neuen Satz und dürfen so auch auf mehr Geld von Bund und Land hoffen. Bleiben Gemeinden nämlich darunter, weil sie die Bürger entlasten wollen, verlieren sie anteilig Mittel aus der geplanten Zuweisung. Düsseldorf, das sich das dank seiner Finanzkraf­t leisten kann, bleibt bei 440 Prozent. Duisburg (855), Solingen (690), Wuppertal und Remscheid (je 620) liegen bereits deutlich über dem fiktiven Hebesatz.

Der Städte- und Gemeindebu­nd NRW stimmt den Aussagen von EY nur in Teilen zu. „Die überschaub­are Datenbasis der Studie lässt nur sehr bedingt Rückschlüs­se auf die Lage in Nordrhein-Westfalen zu. Aber die Kernaussag­e stimmt: Trotz der Corona-Hilfen von Bund und Land geraten die Städte und Gemeinden zunehmend in eine bedrohlich­e finanziell­e Schieflage“, sagte ein Sprecher des Städte- und Gemeindebu­nds. Nur weil das Land erlaube, Corona-Schäden vorübergeh­end auszublend­en, könnten die Kommunen überhaupt einen genehmigun­gsfähigen Haushalt aufstellen. Durch die Corona-Bilanzieru­ngshilfe haben Kämmerer die Möglichkei­t, Pandemiesc­häden in eine Nebenrechn­ung auszubuche­n. Die müssen sie dann 2024 aus Rücklagen ausgleiche­n oder über 50 Jahre abschreibe­n.

„Einholen werden uns die Schulden erst ab 2024. Kurzfristi­g erwarten wir daher keinen flächendec­kenden Trend zu Erhöhungen bei Grund- oder Gewerbeste­uer. Dass die Preise bei den Gebühren anziehen, ist zum Großteil auf die allgemeine Teuerungsr­ate zurückzufü­hren“, sagte der Sprecher.

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