Viele NRW-Städte müssen Steuern erhöhen
Die Pandemie hat bei einer ganzen Reihe von Kommunen in Deutschland die finanzielle Not verschärft. Sie müssen die Einnahmen steigern und/oder sparen. Eine Studie der Beratungsgesellschaft EY liefert neue Zahlen.
DÜSSELDORF Für viele Bürger in Nordrhein-Westfalen steigen im kommenden Jahr die Steuern und Abgaben, nachdem sich die ohnehin angespannte finanzielle Lage mancher Städte und Gemeinden in der Pandemie verschärft hat. „Viele deutsche Kommunen stehen heute mit dem Rücken an der Wand. Zwar haben Bund und Länder im vergangenen Jahr mit erheblichen Mitteln eine Schuldenexplosion aufseiten der Kommunen verhindert. Aber auch im laufenden Jahr fehlt viel Geld in den Kassen der Städte und Gemeinden“, sagte Mattias Schneider, Partner bei der Beratungsgesellschaft EY und dort Leiter des Bereichs Government & Public Sector in Deutschland.
Die Konsequenz: Jede vierte Kommune in Nordrhein-Westfalen will im kommenden Jahr ihr Leistungsangebot einschränken, rund 70 Prozent wollen Steuern und Abgaben erhöhen. Das ist ein Ergebnis einer EY-Umfrage unter mehr als
300 Kämmerern und Finanzbehörden bundesweit. Die Zahlen wurden in den Monaten Oktober und November ermittelt.
Den Zahlen der EY-Studie zufolge wird die Wasserversorgung der Bürger Nordrhein-Westfalens in 43 Prozent der Kommunen teurer, die Müllabfuhr sogar in 46 Prozent der Städte und Gemeinden. Jede dritte Kommune will die Grundsteuer erhöhen, auch die Gewerbesteuern steigen mancherorts. „Wir befürchten, dass NRW im nächsten Jahr als großer Steuererhöher dasteht“, sagte Markus Berkenkopf, Haushaltsreferent beim Steuerzahlerbund Nordrhein-Westfalen.
Gleichzeitig wollen 25 Prozent der befragten Kommunen im bevölkerungsreichsten Bundesland Leistungen zurückfahren. Dies trifft zum Beispiel Schwimmbäder, die geschlossen werden, oder öffentliche Büchereien, deren Öffnungszeiten dann eingeschränkt sind. „Allerdings muss man fairerweise sagen, dass das Einsparpotenzial an vielen Stellen ausgereizt ist“, sagte
Steuerzahlerbund-Experte Berkenkopf. Spielräume gebe es unter anderem noch bei der Digitalisierung. „Es gibt noch Kommunen, bei denen man den Parkausweis persönlich abholen muss. Das geht auch digital“, meint Berkenkopf.
Dass in Nordrhein-Westalen die Kommunen zu neuen Steuererhöhungen gedrängt werden, liegt auch an neuen Grenzwerten. Vom
Land festgelegte sogenannte fiktive Hebesätze, die als Obergrenzen für Schlüsselzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich dienen und seit 2017 in NRW so gut wie eingefroren waren, steigen im neuen Jahr deutlich. Bei der Grundsteuer B, die Hauseigentümer zahlen müssen, klettert dieser Satz von 443 auf 479 Prozent. Wesel und Kerken beispielsweise erhöhen ihre Grundsteuer B entsprechend auf den neuen Satz und dürfen so auch auf mehr Geld von Bund und Land hoffen. Bleiben Gemeinden nämlich darunter, weil sie die Bürger entlasten wollen, verlieren sie anteilig Mittel aus der geplanten Zuweisung. Düsseldorf, das sich das dank seiner Finanzkraft leisten kann, bleibt bei 440 Prozent. Duisburg (855), Solingen (690), Wuppertal und Remscheid (je 620) liegen bereits deutlich über dem fiktiven Hebesatz.
Der Städte- und Gemeindebund NRW stimmt den Aussagen von EY nur in Teilen zu. „Die überschaubare Datenbasis der Studie lässt nur sehr bedingt Rückschlüsse auf die Lage in Nordrhein-Westfalen zu. Aber die Kernaussage stimmt: Trotz der Corona-Hilfen von Bund und Land geraten die Städte und Gemeinden zunehmend in eine bedrohliche finanzielle Schieflage“, sagte ein Sprecher des Städte- und Gemeindebunds. Nur weil das Land erlaube, Corona-Schäden vorübergehend auszublenden, könnten die Kommunen überhaupt einen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen. Durch die Corona-Bilanzierungshilfe haben Kämmerer die Möglichkeit, Pandemieschäden in eine Nebenrechnung auszubuchen. Die müssen sie dann 2024 aus Rücklagen ausgleichen oder über 50 Jahre abschreiben.
„Einholen werden uns die Schulden erst ab 2024. Kurzfristig erwarten wir daher keinen flächendeckenden Trend zu Erhöhungen bei Grund- oder Gewerbesteuer. Dass die Preise bei den Gebühren anziehen, ist zum Großteil auf die allgemeine Teuerungsrate zurückzuführen“, sagte der Sprecher.