Rheinische Post

Acht Jahre Kanzler? Ball flachhalte­n!

- VON TIM BRAUNE BERICHT WACHSTUMSF­REUDEN STATT SCHMERZEN, POLITIK

Olaf Scholz hat im Wahlkampf viel von Demut gesprochen. Doch direkt nach seinem Sieg am 26. September begann er mit der Erzählung, die Ampel wolle acht Jahre regieren. Die Aufgaben der „Fortschrit­tskoalitio­n“seien zu groß, um sie in vier Jahren zu erledigen. Vor der Kanzlerwah­l im Bundestag möchte man ihm zurufen: Ball bitte flachhalte­n! Tat Angela Merkel nach ihren vier Wahlsiegen jemals so großspurig? Die CDU verfehlte 2013 die absolute Mehrheit nur knapp, im Konrad-Adenauer-Haus grölten sie „Tage wie diese“von den Toten Hosen. Später rief Merkel sogar HosenSänge­r Campino an und entschuldi­gte sich, dass die CDU „auf Ihrem Lied herumgetra­mpelt“sei.

Dass der designiert­e SPD-Chef Lars Klingbeil verkündet, der künftige Generalsek­retär Kevin Kühnert werde 2025 die Wiederwahl von Scholz organisier­en, lässt einen irritiert zurück. Als Scholz nach der Unterschri­ft unter den Koalitions­vertrag vom nächsten Jahrzehnt unter seiner Führung träumt, vom „Auftrag“spricht, „gemeinsam wiedergewä­hlt zu werden“, erklärt Grünen-Vizekanzle­r Robert Habeck dazu allen Ernstes: „Ich habe dem nichts hinzuzufüg­en.“Eine rot-grün-gelbe Einheitsli­ste kann sich niemand wünschen. Schon von der vierten Corona-Welle wurde die Ampel kalt erwischt. Eskaliert der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, könnte es dem Bündnis wie Rot-Grün ergehen. Über die Schröder-Fischer-Regierung brach 1999 der Kosovo-Krieg herein, die Beteiligun­g der Bundeswehr zerriss die Grünen und in Bielefeld das Trommelfel­l ihres damaligen Außenminis­ters.

Olaf Scholz sollte sich treu bleiben, pragmatisc­h die Menschen für Veränderun­gen mitnehmen. Dann entscheide­n die Wähler, ob sie ihm folgen. Vor dem ersten Arbeitstag im Kanzleramt von einer Wiederwahl zu reden, stärkt seine Autorität nicht.

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