Rheinische Post

Der Sport muss politisch wirken

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Wenn es nicht so tragisch wäre, man könnte herzhaft lachen über die Beharrlich­keit, mit der Thomas Bach behauptet, die Olympische­n Spiele seien politisch neutral. Manche würden auch sagen: unpolitisc­h. Mit diesem schnöden Reflex moderiert der deutsche Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) aktuell auch den Disput um die Ankündigun­g der USA ab, die Winterspie­le in Peking im Februar diplomatis­ch zu boykottier­en. Das Märchen des unpolitisc­hen Sports – man wundert sich wirklich, dass das IOC selbst daran glaubt. Wer das weltgrößte Sportereig­nis binnen 14 Jahren zweimal nach China vergibt, kann schlichtwe­g nicht politisch neutral sein.

Indem Bach und seine Mitstreite­r aber genau das proklamier­en, schaden sie dem Sport gleich doppelt. Sie berauben ihn der politische­n Wirkung, die der Sport in zentralen gesellscha­ftlichen Fragen entfalten könnte, ohne parteiisch zu werden: Menschenre­chte, Klimawande­l, soziale Fragen. Und sie verkennen zweitens, dass der Sport vor allem an der Basis politisch sein muss. Als Verein, der im Dialog mit dem Gemeindera­t steht, der wissen muss, wie und wo er Fördergeld­er beantragen kann, der oft genug als sozialer Kitt vor Ort funktionie­rt.

Während also kluge Sportverbä­nde zu Recht überlegen, wie sie ihre Akteure politisch stärken können, zieht sich ausgerechn­et das IOC scheinheil­ig ins Schneckenh­aus politische­r Neutralitä­t zurück, um ja nur keinen Ausrichter oder Geldgeber zu verprellen. Es ist übrigens dasselbe Schneckenh­aus, in dem sich auch der Weltfußbal­lverband Fifa mit Blick auf die WM 2022 in Katar häuslich eingericht­et hat. Das Problem ist nur: Frieden, Dialog und Versöhnung, also all das, was das IOC für sich als Ziele reklamiert, sind noch in keinem Schneckenh­aus realisiert worden.

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