Der Sport muss politisch wirken
Wenn es nicht so tragisch wäre, man könnte herzhaft lachen über die Beharrlichkeit, mit der Thomas Bach behauptet, die Olympischen Spiele seien politisch neutral. Manche würden auch sagen: unpolitisch. Mit diesem schnöden Reflex moderiert der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aktuell auch den Disput um die Ankündigung der USA ab, die Winterspiele in Peking im Februar diplomatisch zu boykottieren. Das Märchen des unpolitischen Sports – man wundert sich wirklich, dass das IOC selbst daran glaubt. Wer das weltgrößte Sportereignis binnen 14 Jahren zweimal nach China vergibt, kann schlichtweg nicht politisch neutral sein.
Indem Bach und seine Mitstreiter aber genau das proklamieren, schaden sie dem Sport gleich doppelt. Sie berauben ihn der politischen Wirkung, die der Sport in zentralen gesellschaftlichen Fragen entfalten könnte, ohne parteiisch zu werden: Menschenrechte, Klimawandel, soziale Fragen. Und sie verkennen zweitens, dass der Sport vor allem an der Basis politisch sein muss. Als Verein, der im Dialog mit dem Gemeinderat steht, der wissen muss, wie und wo er Fördergelder beantragen kann, der oft genug als sozialer Kitt vor Ort funktioniert.
Während also kluge Sportverbände zu Recht überlegen, wie sie ihre Akteure politisch stärken können, zieht sich ausgerechnet das IOC scheinheilig ins Schneckenhaus politischer Neutralität zurück, um ja nur keinen Ausrichter oder Geldgeber zu verprellen. Es ist übrigens dasselbe Schneckenhaus, in dem sich auch der Weltfußballverband Fifa mit Blick auf die WM 2022 in Katar häuslich eingerichtet hat. Das Problem ist nur: Frieden, Dialog und Versöhnung, also all das, was das IOC für sich als Ziele reklamiert, sind noch in keinem Schneckenhaus realisiert worden.