Mit Holzöfen gegen die Kälte
Auch viereinhalb Monate nach der Flutkatastrophe im Ahrtal und in der Eifel funktioniert in vielen Haushalten die Heizung nicht. Mit Notlösungen bereiten sich die Menschen auf den Winter vor. Ersatzteile und Fachkräfte fehlen.
AHRBRÜCK An diesem Dezembermorgen zeigt das Thermometer in der Gemeinde Ahrbrück zwei Grad über null. Der Ort nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen zählte einmal 1200 Einwohner. Doch dann kamen die Wassermassen, die viele Wohnungen überfluteten, Häuser mitrissen und Existenzen zerstörten. Viele Gebäude sind auch viereinhalb Monate nach der Katastrophe unbewohnbar.
Die Menschen, die trotzdem geblieben sind, haben sich oftmals mit Übergangsheizungen für den Winter gerüstet, sagt Dirk, der eigentlich Soldat von Beruf ist. Der 43-Jährige koordiniert zusammen mit Rüdiger, die beide ihre Nachnamen nicht nennen wollen, die ehrenamtliche Fluthilfe in Ahrbrück, die sich in der Lagerhalle des örtlichen Verpackungsherstellers einquartiert hat. Vor dem Eingang stapeln sich Berge von Feuerholz, das aus Förstereien und Sägewerken stammt und das jeder mitnehmen darf, der von der Flut betroffen ist. Die Nachweise hierfür werden jedoch häufiger gefälscht: „Wir achten deshalb auf das Dienstsiegel und die Unterschrift der Bürgermeister“, sagt Dirk.
Als es auf den Winter zuging, waren vor allem Holzöfen gefragt. Für die besitzt das Ahrtal eine Ausnahmegenehmigung: Es dürfen Öfen betrieben werden, die nicht der Umweltnorm entsprechen – zumindest bis Mitte nächsten Jahres. Ein Dutzend steht noch in der Halle, 180 Öfen seien schon verteilt, sagt Dirk.
Mit gleich zwei Holzöfen heizt Rolf Pitzen das Erdgeschoss seines Hauses in Kreuzberg, rund sechs Kilometer flussabwärts. Hier hat der 65-Jährige ein kleines Café für Helfer und Betroffene eingerichtet. Um die Öfen betreiben zu können, die Pitzen nach der Flut bei Ebay kaufte, wurden kurzerhand zwei fußballgroße Löcher in die Hauswand gesägt und Rohre installiert. Durch die zieht der Rauch nach draußen.
Das sei ein übliches Vorgehen, sagt Fluthelfer Dirk. „Mit einem einfachen Werkstattofen erreicht man eine Leistung von 5,7 Kilowattstunden“, sagt er. Das reiche, um eine Etage zu heizen, und einige würden die Öfen als Alternative zu den Bautrocknern nutzen. Der Vorteil: Die
Öfen funktionieren auch, wenn der Strom ausfällt. Das aber sei inzwischen selten geworden.
Um herauszufinden, wie viele Haushalte keine Heizung haben, führte die Energieagentur Rheinland-Pfalz eine Befragung im Flutgebiet durch. Ergebnis: Von mehr als 1000 Haushalten, die an der Umfrage teilnahmen, gaben rund 71 Prozent einen Totalschaden der Heizung an; 83 Prozent meldeten Schäden am Gebäude, zehn Prozent einen Totalschaden. Die Energieagentur organisierte Übergangslösungen wie Holzöfen, Elektrostationen oder mit Öl betriebene Nahwärmenetze, die mehrere Haushalte gleichzeitig versorgen können.
„Schätzungsweise mehr als 1000 Haushalte im Ahrtal sind noch immer komplett ohne Wärmeversorgung. Die Not der Menschen ist enorm, die Lage hat sich nicht entspannt“, sagt der 54-jährige Heizungsbauer Wolfgang Worms, der lange Zeit an zwei Tagen pro Woche vom Großraum Düsseldorf ins Flutgebiet pendelte. Viele Menschen,
sagt Worms, würden sich schämen, ihre Notlage preiszugeben: „Es heißt dann oft: ‚Ich musste noch nie Hilfe annehmen`.“
Auch der Engpass bei den Ersatzteilen ist ein Problem: „Der Weltmarkt ist leergefegt, wir haben Material aus ganz Europa rangeschafft“, sagt Worms. Das bestätigt auch Uwe Günther, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Rureifel: Die Situation sei ohnehin anspannt seit Jahresbeginn, da Corona die Lieferketten unterbrochen habe. „Die Folge waren exorbitante Preissteigerungen und abhängig vom Hersteller Wartezeiten von bis zu zwei Monaten.“
Noch gravierender ist der Fachkräftemangel. „Die Unternehmen arbeiten derzeit am Anschlag“, sagt Günther. Fluthelfer Dirk sieht das ähnlich: „Viele haben eine Heizung, warten aber acht bis zehn Wochen auf die Inbetriebnahme.“
Auch in den Flutgebieten in NRW ist die Lage angespannt: In Rheinbach meldeten rund 140 Haushalte Notlösungsbedarf, 200 Heizradiatoren wurden verteilt, Wohnraum wurde vermittelt. Eine Umfrage in Euskirchen ergab, dass von 124 Haushalten ohne Heizung 61 noch keine Lösung hatten – 75 Heizgeräte organisierte die Stadt. Die Johanniter in Erftstadt gaben Ende Oktober 430 Elektroheizungen aus – geschätzt 250 Haushalte besaßen keine Heizung. In Hagen ist Stefan Hofmann von der Innung für Sanitärund Heizungstechnik derzeit kein Haushalt bekannt, dessen Heizung noch nicht funktioniert.
Auch das Ehepaar Lus in Altenburg an der Ahr heizt mit einem strombetriebenen Mietgerät. Es erhitzt Wasser und speist es in den Heizkreislauf ein. Im Januar, sagt Rudolf Lus, kommt dann die umweltfreundliche Wärmepumpe – ein kontroverses Thema im Ahrtal. Die Energieagentur betont, dass der Staat beim Umstieg von Ölheizungen auf regenerative Energien bis zu 70 Prozent der Investition übernimmt, die Aufbauhilfe eingerechnet. Doch Heizungsbauer Worms sagt, die Beantragung sei zu kompliziert und die Anschaffung trotz Förderung zu teuer.
Es wird wohl noch einige Zeit vergehen, bis im Ahrtal wieder so etwas wie Normalität einkehrt. Immerhin: In Ahrbrück hat der Supermarkt wieder geöffnet, und auch die Wasserversorgung stehe, sagt der Chef des Bauhofs, der gerade die Frischwassertanks stapelt, die nun nicht mehr gebraucht werden. Lichtblicke in dieser kalten Zeit.