Die Zara-Zarin
Marta Ortega rückt an die Spitze des Mutterkonzerns Inditex. Die Tochter des Unternehmensgründers begann als Aushilfe und kennt die Modebranche aus dem Effeff.
Sie begann vor 15 Jahren als Ladenhilfe in einer Boutique ihres Vaters, dem Gründer des spanischen Mode-Imperiums Inditex, zu dem Weltmarken wie Zara, Massimo Dutti oder Bershka gehören. Demnächst rückt die 37 Jahre alte Tochter von Amancio Ortega, dem wohl erfolgreichsten und reichsten Mode-Unternehmer der Welt, auf den Thron und wird Chefin des Konzerns. Doch auf die Gründertochter wartet eine gigantische Herausforderung: Sie muss das Unternehmen, das durch seine „Fast-Fashion-Kollektionen“in die Kritik von Umweltschützern geraten ist, auf Nachhaltigkeitskurs bringen.
Regale mit Ware bestücken, Hemden und Hosen zusammenlegen, den Boden fegen: So startete Marta Ortega ihre Inditex-Karriere in einem Bershka-Shop auf der Londoner High Street. „Die erste Woche dachte ich, ich werde das nicht überleben. Aber dann entwickelst du eine Art Sucht nach dem Laden“, sagte sie dem amerikanischen „Wall Street Journal“in ihrem bisher einzigen Interview. Jetzt wolle sie diese Erfahrung, auch an der Verkaufsfront gearbeitet zu haben, nicht mehr missen. Schließlich seien die mehr als 6654 Läden in 96 Ländern das Herz des Unternehmens.
Die jüngste Ankündigung, dass die 37-Jährige vom 1. April 2022 an das Ruder übernehmen werde, war keine Überraschung. Ihr Vater und Inditex-Hauptaktionär, der inzwischen 85 Jahre alte Amancio Ortega, hatte sie seit dem Ende ihres Wirtschaftsstudiums an der Londoner European Business School zu seiner Nachfolgerin aufgebaut. Er ließ sie alle Konzernbereiche durchlaufen. „Ich bin mit diesem Unternehmen aufgewachsen“, ließ sich die designierte Inditex-Präsidentin in einer Konzernmitteilung zitieren.
In den vergangenen Jahren hatte sie bereits immer mehr Verantwortung in dem Mode-Imperium übernommen, das seine Zentrale in der nordwestspanischen Kleinstadt Arteixo hat. Zuletzt drückte die Mode-Erbin, die zwei Jahre auf dem Schweizer Internat Aiglon verbrachte, der Verkaufslinie von Zara Woman, der umsatzstärksten Kollektion des Mode-Giganten, ihren Stempel auf.
„Ich habe von allen großartigen Profis gelernt, mit denen ich in den vergangenen 15 Jahren zusammengearbeitet habe“, sagte sie anlässlich ihrer Ernennung zur Inditex-Vorsitzenden. Doch am meisten dürfte sie von ihrem Vater gelernt haben, der sich von ganz unten mit harter Arbeit und Disziplin nach oben kämpfte. Der Sohn eines Eisenbahners hatte seine Karriere mit 13 Jahren als Laufbursche in einem Hemdengeschäft begonnen. 1963 eröffnete er dann seinen ersten eigenen Laden, in dem er Bademäntel verkaufte. 1975 folgte der erste Zara-Shop, dessen Mode die Welt eroberte.
Heute regiert Amancio Ortega ein Imperium, zu dem neben den Weltmarken Zara, Bershka und Massimo Dutti auch die bekannten Labels Pull & Bear, Stradivarius Oysho, Zara Home und Uterqüe gehören. Er gilt als Pionier des Konzepts der Fast-Fashion-Mode, die ihren Umsatz dadurch ankurbelt, dass wöchentlich die Kollektionen in den Läden ausgetauscht werden. „Wegwerfmode“nennen das Kritiker, die auf die stärkere Kontrolle jener ökologischen und sozialen Standards pochen, auf die sich Inditex verpflichtet hat.
Der weitere Umbau des ModeRiesen auf ein klimafreundliches und nachhaltiges Image dürfte eine der Schlüsselaufgaben für Marta Ortega werden. An Geld in der Firmenkasse mangelt es jedenfalls nicht. Der Konzern ist weitgehend schuldenfrei und umschiffte ohne größere Probleme das Pandemiejahr 2020, in dem er zwar einen erheblichen Umsatzeinbruch hinnehmen musste, aber immer noch mehr als eine Milliarde Euro Gewinn machte. Im ersten Halbjahr 2021 wurden bereits wieder Rekordverkaufszahlen und ein Gewinn von 1,3 Milliarden Euro vermeldet.
Eigentlich hätte Amancio Ortega seine Tochter, den jüngsten Spross dreier Nachkommen, gerne schon vor zehn Jahren, zu seinem 75. Geburtstag, zu seiner Nachfolgerin an der Konzernspitze gekürt. Doch mit 27 wäre sie damals vielleicht doch noch etwas zu jung und unerfahren gewesen. Deswegen übernahm der Ortega-Vertraute und Spitzenmanager Pablo Isla vorübergehend das Ruder. Nun also, ein Jahrzehnt später, ist die Zeit reif für jene Frau, die vom einflussreichen „Wall Street Journal“auf dem Titel der Modebeilage als „Zaras Geheimwaffe“bezeichnet wurde.
„Die erste Woche dachte ich, ich werde das nicht überleben“Marta Ortega zu ihrer Zeit als Ladenhilfe in London