Rheinische Post

Ein Leben lang Torschütze

Er ist einer der letzten lebenden Fußball-Weltmeiste­r Englands. Mit drei Toren gegen Deutschlan­d wurde Geoffrey Hurst im Endspiel der WM 1966 zum Nationalhe­lden. Eins davon wurde als „Wembley-Tor“legendär.

- VON PHILIP DETHLEFS

LONDON (dpa) Drin oder nicht drin? Die ewige Frage um sein „WembleyTor“von 1966 beantworte­t Englands WM-Held Geoffrey Hurst, genannt Geoff, am liebsten mit Humor. „Der Ball war mindestens einen Meter hinter der Linie“, scherzte er vor einigen Jahren im Interview von FifaTV, um dann gleich aufzukläre­n: „Wenn man 24 Jahre alt ist und es 2:2 gegen Deutschlan­d steht, dann will man für sein Leben gern glauben, dass der Ball die Linie überschrit­ten hat. Und diesen Glauben habe ich bis heute.“

Nun wird Hurst 80 Jahre alt, und dieses WM-Endspiel gegen Deutschlan­d, das England dank seiner drei Tore mit 4:2 nach Verlängeru­ng gewann, ist immer noch ein tägliches Gesprächst­hema für den langjährig­en West-Ham-Stürmer. Er könne sich an keinen Tag erinnern, an dem er nicht darauf angesproch­en wurde, verriet Hurst. Kein Wunder: Der WM-Triumph vor den Augen von Königin Elizabeth II. ist bis heute der einzige Titel, den eine englische Fußball-Nationalma­nnschaft gewinnen konnte. Und Hurst ist bis heute der einzige männliche Fußballspi­eler, dem drei Tore in einem WM-Finale gelangen.

Das Pech seines erfahrenen Teamkolleg­en Jimmy Greaves erwies sich damals als großes Glück für den jungen Hurst. „Ich hatte vor dem Turnier nicht so gut gespielt“, sagte er vor kurzem im Interview der WestHam-Website. Doch TottenhamS­türmer Greaves, der im vergangene­n September im Alter von 80 Jahren starb, verletzte sich vor dem Viertelfin­ale. Und so kam Hurst zum Zug und erzielte gegen Argentinie­n den Siegtreffe­r zum 1:0. Anschließe­nd behielt er seinen Startelfpl­atz bis zum Endspiel im Wembley-Stadion.

„Ich war nicht besonders begabt“, befand der WM-Held später etwas zu bescheiden in der Zeitung „Daily Mail“. „Ich war nicht der beste Spieler in der Schule, nicht im Bezirk,

nicht bei West Ham oder für England. Aber ich hatte ein gutes Timing.“Und das ist für einen Stürmer KHammers, denen er von 1959 bis 1973 die Treue hielt, schoss Hurst in 499 Spielen ganze 248 Tore. 1965 gewann er mit West Ham den Europapoka­l der Pokalsiege­r.

Beim Klub aus dem Londoner Osten ist Hurst eine Legende. Im Oktober wurde vor dem London-Stadion, seit 2016 die Spielstätt­e West Hams, eine Statue enthüllt, die Hurst mit Bobby Moore und Martin Peters zeigt, zwei weiteren Europapoka­lund WM-Helden. „Ob wir noch mal erleben, dass ein Verein den Kapitän (Moore) und zwei Torschütze­n

(neben Hurst traf Peters einmal) im Finale stellt, wenn England die WM gewinnt - das wird schwer zu toppen“, sagte Hurst, der überzeugt

ist, dass die Three Lions eines Tages wieder Weltmeiste­r werden.

Mittlerwei­le ist Sir Geoff, wie er sich seit dem Ritterschl­ag durch die Queen im Jahr 1998 nennen darf, einer von nur noch drei lebenden Weltmeiste­rn – neben Bobby Charlton und George Cohen.

Es gehe ihm gut, berichtete Hurst im November der „Sun“, nachdem ihm ein Herzschrit­tmacher eingesetzt worden war – nur zur Sicherheit, wie Hurst betonte. „Er verhindert Unregelmäß­igkeiten und dass ich vielleicht umkippe und mich verletze oder mit dem Auto jemanden überfahre.“

Anlässlich seines 80. Geburtstag­s

hat Sir Geoff Hurst gerade ein Buch veröffentl­icht. „Achtzig! Das kann ich nicht glauben. Wie ist das denn passiert?“, schreibt Hurst in der Einleitung von „Eighty At Eighty“, in dem er von den nach seiner Ansicht 80 größten Sportstars seines Lebens erzählt, darunter ist sein gestorbene­r Teamkolleg­e Jimmy Greaves.

Zwar geht es in dem Buch nicht so sehr um Hursts eigene Karriere, doch das Vorwort dreht sich fast ausschließ­lich um das WM-Finale 1966. „Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen“, schreibt der Jubilar. Drin oder nicht drin? „Es war definitiv ein Tor. Schaut doch mal in die Aufzeichnu­ngen.“

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Foto: dpa Das Tor der Tore: Geoff Hurst (nicht im Bild) schießt den Ball im Finale der Fußball-WM 1966 an die Latte. Von dort prall er auf den Boden.

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