Glanz auf Neusser Eis
Am Donnerstag beginnen unter strengen Hygieneregeln die 123. Meisterschaften im Eiskunstlauf. Für den ausrichtenden Schlittschuh-Klub geht es dabei um mehr als die Vergabe von Titeln und Olympia-Tickets.
Ende Januar war der Tiefpunkt für den Eissport-Standort Neuss erreicht. Bereits zwei Monate vor dem Stichtag (21. März) hatten die Stadtwerke in Absprache mit den eissporttreibenden Vereinen damit begonnen, die 1800 Quadratmeter große Eisfläche im Südpark abzutauen. „Rien ne va plus“, nichts geht mehr. Der coronabedingte Lockdown zwang den mit seiner Ersten Mannschaft in der Regionalliga West spielenden Neusser Eishockey Verein (NEV) zur Vollbremsung, fast noch härter traf es den Neusser Schlittschuh-Klub (NSK): Das extrem beliebte und dazu auch noch äußerst lukrative „Neusser Eislaufmärchen“mit jeweils 2500 Zuschauern bei sechs Vorführungen musste zum zweiten Mal verschoben werden – diesmal gleich auf Winter 2022. Die mal für den 20. Februar geplante „NRW-Trophy for synchronized Skating“mit knapp 400 in Synchron-Eislaufformationen aus ganz Europa organisierten Sportlerinnen fiel komplett aus. Bitter für den NSK, dessen 2009 von Trainerin Ilka Voges gegründete Team „Butterfl'ice“zur absoluten Weltspitze zählt.
Die Aussicht „auf vier Jahre ohne publikumswirksames Eislauf-Event in Neuss“entfachte im Verein jedoch ungeahnte Energie. Mit Unterstützung des Landeseissportverbandes NRW sprach der Vorsitzende Ulrich Giesen bei der Deutschen Eislauf-Union (DEU) vor, bewarb sich mit dem NSK kurzerhand um die Ausrichtung der Deutschen Meisterschaften im Eiskunstlaufen. Als größter Konkurrent galt Hamburg. Dass die Wahl schließlich auf Neuss fiel, erfüllt ihn mit Stolz: „Das ist ein Erfolg für die Sportstadt Neuss.“Die sei seit dem 2. Weltkrieg nach Krefeld, Düsseldorf, Köln, Essen und Dortmund erst die sechste Stadt aus
Nordrhein-Westfalen, die nationale Titelkämpfe im Eiskunstlaufen mit Entscheidungen im Damen-Einzel, Herren-Einzel, Paarlaufen und Eistanzen veranstalten dürfe. Gleichzeitig hofft er, „dass dies ein Signal an die Stadtwerke und die Stadt Neuss ist, die fast 50 Jahre alte Eishalle am Südpark zu sanieren, vor allem die Toilettenanlage, die Banden und die Garderoben haben es dringend nötig.“
Während der auch in Nachwuchsbereich extrem umtriebige NEV in der Eishockey-Regionalliga schon seit Anfang Oktober wieder um
Punkte spielt, löst sich der NSK mit den nationalen Titelkämpfen gerade erst aus seiner erzwungenen Starre. Und arbeitet sogar daran, die alte Quirinusstadt zu einer EiskunstlaufHochburg zu entwickeln. Denn am 12. und 13. Februar 2022 richtet der rund 350 Mitglieder starke Verein (wieder genauso viele wie vor der Pandemie) auch die „Internationale Deutsche Meisterschaft im Synchroneislaufen“aus. Giesen: „Wir erwarten dann nicht nur die besten deutschen Synchron-Teams, sondern auch die Top-Mannschaften aus Europa und vielleicht sogar
aus Übersee.“Da die Trainingskapazitäten in Neuss für diesen Wettbewerb mit 800 Sportler und Sportlerinnen nicht ausreichen, haben sich Krefeld und Düsseldorf schon bereit erklärt, zusätzliche Eiszeiten zur Verfügung zu stellen.
Für das international erfolgreiche Mixed-Age-Team „Butterfl'ice“, aktuell von der Stadt Neuss als „Mannschaft des Jahres 2020“für die begehrte Sportehrengabe vorgesehen, hat die Veranstaltung im heimischen Wohnzimmer den unschätzbaren Vorteil, mit größtmöglicher Publikums-Unterstützung um den
nächsten Deutschen Meistertitel kämpfen zu können. Bei der Eiskunstlauf-DM ist der Gastgeber durch seine Talente Karina Polemitis, Alina Schrainer und Laura Paffen sowie die „Butterfl'ice“nur im „Schaulaufen der Sieger“am Samstagabend (19 Uhr) vertreten.
Für alle anderen geht es zur Sache, werden in Neuss doch neben den Plätzen auf dem Siegerpodest auch die Tickets für die Olympische Winterspiele vom 4. bis zum 20. Februar 2022 in Peking vergeben. Die deutschen Eiskunstläufer haben bisher in drei Disziplinen – im Paarlauf, Eistanz und bei den Frauen – die Kriterien für den Start in der chinesischen Hauptstadt erfüllt. Die DEU erhofft sich noch eine weitere Eintrittskarte für den Team-Wettkampf, der nur bei Olympischen Winterspielen ausgetragen wird. Die Entscheidung, welche Verbände sich dafür qualifizieren, wird nach dem Grand-Prix-Finale am 12. Dezember in Osaka/Japan vom EiskunstlaufWeltverband ISU bekanntgegeben.