Rheinische Post

Das wahre Problem der Verkehrswe­nde

Düsseldorf ist Stau-Hauptstadt – dabei wollten wir doch Klima-Hauptstadt werden. Der Streit mit dem ADFC führt am Problem vorbei.

- ARNE LIEB

Wer gern eine hitzige Diskussion in Gang bringen will, muss das Thema auf den Verkehr lenken. Jeder hat eine Meinung dazu, wo die Probleme auf den Straßen liegen. Auch der Stadtrat schafft derzeit keine Sitzung, ohne sich an der Frage zu entzünden, was sich ändern sollte. Und vor allem: Wer schuld daran ist, dass Düsseldorf seinen Klimaziele­n kaum näherkommt.

Oberbürger­meister Stephan Keller hat dafür gesorgt, dass die Debatte mal wieder aufgeflamm­t ist. Er hat dem Fahrradclu­b ADFC eine „ideologisc­he Bekämpfung des Autos“vorgeworfe­n, nachdem der ihm ein paar kritische Fragen gestellt hatte. In den Kommentars­palten im Netz tobt der Bär zwischen Rad- und Autofahrer­n. Keller, der bislang eine ausgleiche­nde Rolle suchte, hat sich mit dieser Zuspitzung keinen Gefallen getan.

Die großen ideologisc­hen Debatten versperren ohnehin nur den Blick auf die wirklichen Hürden. Am politische­n Willen fehlt es derzeit nicht. Auch das schwarzgrü­ne Bündnis, dem Keller vorsteht, hat sich zu Klimaschut­z und Verkehrswe­nde bekannt und große Ziele beim Bau von Radwegen und der Förderung der Rheinbahn ausgegeben. Die von Umweltakti­visten gern als Autopartei attackiert­e CDU hat sich in den vergangene­n Jahren weit bewegt. Einschränk­ungen für den Autoverkeh­r sind in Düsseldorf längst kein Tabu mehr, wenn sie zum Beispiel für einen sicheren Radweg nötig sind – früher undenkbar.

Trotz aller Appelle steigen aber bislang nur wenige Menschen auf Rad oder Rheinbahn um. Denn auf den Straßen ist von den politische­n Diskussion wenig angekommen. Die Stärkung von Radverkehr und Rheinbahn verläuft schleppend, und das ist freundlich ausgedrück­t. Aktuelle Beispiele? Die seit Jahren angekündig­ten

Stadtbahne­n kommen erneut später. Also fahren auf wichtigen Linien weiterhin Züge, die schon unterwegs waren, als Willy Brandt noch Kanzler war. Die großen Infrastruk­turprojekt­e wie RRX oder U81 ziehen sich so lange, dass viele heutige Pendler längst in Rente sind, wenn sie irgendwann fertig sind.

Und der neue Radweg am Joseph-Beuys-Ufer, an dem sich der Streit zwischen Keller und dem ADFC entzündet hatte, ist zwar lobenswert – bedeutete aber eine böse Staufalle, weil die Arbeiten ausgerechn­et in die verkehrsre­ichste Zeit des Jahres gelegt wurden. Jetzt wurde Düsseldorf sogar zur „Stau-Hauptstadt“von NRW erklärt – dabei wollte die Stadtregie­rung es doch eigentlich zur „Klima-Hauptstadt“machen.

Die Verkehrswe­nde braucht vor allem besseres Handwerk. Das betrifft nicht nur die Kommunen. Die Bundesregi­erung muss Prozesse beschleuni­gen und vor allem Unsummen an Geld bereitstel­len, denn die Städte können die Kosten nicht alleine stemmen. Auch Düsseldorf muss besser planen und bauen. Das wird eine von Kellers zentralen Aufgaben. Behördlich­e Behäbigkei­t kann sich Düsseldorf nicht leisten. Sonst bleibt es bei hitzigen Debatten – und dem traurigen Titel der Stau-Hauptstadt.

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