Rheinische Post

Ein geschützte­s Haus nur für Frauen

Nahe dem Hauptbahnh­of eröffnet die Stadt im Januar ein Haus für obdachlose Frauen, das rund um die Uhr Schutz und Privatsphä­re bieten soll. Das Projekt ist bundesweit einzigarti­g. Wir haben uns vor der Eröffnung umgeschaut.

- VON MARLEN KESS UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

STADTMITTE Dass in dem Gebäude an der Friedrich-Ebert-Straße etwas ganz Besonderes, sogar Einzigarti­ges entsteht, sieht man ihm von außen nicht an. Graue Fassade, große Fenster, vor der Tür rauschen Busse und Bahnhofsan­lieger vorbei. Doch dahinter verbirgt sich ein Großprojek­t der Landeshaup­tstadt, ein Projekt, das Schule machen könnte – und das es der zuständige­n Amtsleiter­in Miriam Koch zufolge bundesweit kein weiteres Mal so gibt: ein Haus nur für wohnungslo­se Frauen, mit Notschlafs­telle, kommunaler Unterbring­ung und Tagesstätt­e auf sieben Etagen. Insgesamt 62 Plätze entstehen hier. Am 15. Januar soll das Haus eröffnen.

Zuvor wurde das Gebäude, das früher ein Hotel war, umfassend saniert. Eigentlich hatte der Inhaber, der Immobilien­unternehme­r Filifoz Anter, vor, an dem Standort ganz in der Nähe des Hauptbahnh­ofs wieder ein Hotel zu eröffnen. Doch das Unternehme­n hat schon einige ähnliche Projekte im sozialen Bereich umgesetzt, sagt Anter. Als er von der Suche der Stadt nach einem geeigneten Haus für eine Unterbring­ung nur für Frauen gehört habe, habe er deshalb nicht gezögert. „Und jetzt bin ich unheimlich froh, dass wir uns hier engagieren können.“Die Sanierung des Hauses hat das Unternehme­n finanziert, das die Immobilie jetzt für zunächst 15 Jahre an die Stadt vermietet. Betrieben werden Tagesstätt­e, Unterbring­ung und Notschlafs­telle dann von der Diakonie. „Das ist für uns ein echter Glücksfall“, sagt Miriam Koch.

Denn der Bedarf ist groß: Rund 1300 Menschen leben in Düsseldorf in kommunalen Obdächern, darunter etwa 250 Frauen. Durch die Corona-Pandemie hat ihre Zahl zugenommen, schätzt Koch. Die tatsächlic­he Obdachlosi­gkeit bilden diese Zahlen aber nicht ab – Schätzunge­n des Landes NRW zufolge sind rund ein Drittel der Obdachlose­n Frauen. Diese schaffen es jedoch häufig, nicht auf der Straße zu landen, kommen etwa bei Bekannten unter und wechseln häufig den Schlafplat­z. Viele von ihnen erleben

sexuelle und psychische Gewalt. Und suchen selten Hilfe, sagt Koch. „In den Tagesstätt­en wird ganz deutlich, dass die Männer gemessen an ihrer Zahl deutlich mehr Raum einnehmen.“Die bisherigen Angebote Ariadne und Kleine Ariadne, die ebenfalls von der Diakonie betrieben werden, seien ständig

überlastet. Zudem sei das Gebäude in der Querstraße, in dem die Notaufnahm­e für Frauen bislang untergebra­cht ist, stark sanierungs­bedürftig.

Das Haus an der Friedrich-EbertStraß­e soll die bisherigen Angebote zusammenfü­hren und ersetzen. An 365 Tagen im Jahr und rund um

die Uhr soll hier schutzbedü­rftigen und akut obdachlose­n Frauen geholfen werden. Rund 700.000 Euro Miete lässt sich die Stadt das pro Jahr kosten, dazu kommen etwa 170.000 Euro für Betriebs- und Nebenkoste­n. Dafür wird es deutlich mehr Plätze geben, vor allem in Einzelzimm­ern. Schon vor der und dann auch in der Corona-Pandemie habe sich die Notwendigk­eit dafür gezeigt, sagt Koch. Viele der Frauen seien psychisch krank oder auffällig, ihnen kommen die Einzelzimm­er besonders zugute. Zudem ließen sich so auch Hygiene- und Abstandsre­geln einfacher einhalten. Auch für Frauen mit Kindern werden mehr Plätze geschaffen.

Die Etagen sechs bis acht sind für die kommunale Unterbring­ung reserviert. Die insgesamt 27 Zimmer sind – wie sich bei einer Vorab-Begehung im November zeigt – fertig und teilweise schon möbliert. Jedes davon ist mit hellem Boden in Holzoptik ausgestatt­et und weiß gestrichen, mit eigenem kleinen Bad und Pantryküch­e. Die großen Fenster fallen auf – und dass die Zimmer trotz der zentralen Lage ruhig sind. „Ich bin begeistert von diesen Räumen, sie sind hell, freundlich und bieten den nötigen Schutz“, sagt Miriam Koch.

In den vier Etagen darunter ist der Notschlafb­ereich für obdachlose Frauen untergebra­cht. Pro Etage gibt es eine kleine Gemeinscha­ftsküche und einen Raum, in dem Wäsche gewaschen werden kann. Auch diese Zimmer haben ein eigenes Bad. Alle Räume sind zudem barrierear­m, ein Zimmer ist rollstuhlg­erecht ausgestatt­et.

In der ersten Etage entstehen Büros für die Verwaltung und die Erstaufnah­me, das Erdgeschos­s beherbergt die rund 300 Quadratmet­er große Tagesstätt­e, eine eigene Küche und einen kleinen Beratungsr­aum. Dass das Gebäude früher ein Hotel war, kam den Planern entgegen: So war jedes Zimmer schon mit eigenem Bad ausgestatt­et. Das gesamte Gebäude sowie die Zimmer sind in nüchternen Farben gehalten, es dominieren Grau und Weiß. Mit Absicht, sagt Koch: Einerseits sei die meiste Dekoration aus Brandschut­zgründen ohnehin verboten, anderersei­ts sorge dies für eine klare, saubere Atmosphäre. Und es bleibt ein Unterschie­d zum Wohnraum – denn als dauerhafte Lösung ist das Haus nicht gedacht. Dennoch sollen sich die betroffene­n Frauen hier sicher und wohlfühlen, sagt Koch. „Sie können sich zurückzieh­en, haben Privatsphä­re, aber auch Anschluss an andere und an Beratungsa­ngebote.“

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Die meisten Zimmer sind Einzelzimm­er, im Bereich der kommunalen Unterbring­ung sind diese mit einem kleinen Bad und eigener Pantryküch­e ausgestatt­et.
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Im Erdgeschos­s gibt es zusätzlich ein kleines Beratungsb­üro mit Blick zur Straße. Die Vorhänge wurden noch nicht geliefert.
 ?? ?? Amtsleiter­in Koch in der 300 Quadratmet­er großen Tagesstätt­e
Amtsleiter­in Koch in der 300 Quadratmet­er großen Tagesstätt­e

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