Was Eltern jetzt wissen müssen
Ab nächster Woche wird in Deutschland die Corona-Impfung für Kinder ab fünf Jahren möglich sein. Aber möchten dies alle Eltern? Für welche Mädchen und Jungen ist der Piks sinnvoll? Das sagen Kinderärzte und die Stiko.
Für die rund 4,5 Millionen Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren in Deutschland wird es in wenigen Tagen einen Impfstoff gegen Covid-19 geben. Laut Bundesgesundheitsministerium sollen die Länder ab 13. Dezember 2,4 Millionen Dosen des Kinderimpfstoffs erhalten. Das entsprechend angepasste Vakzin von Biontech sei sicher und wirksam, hat die europäische Arzneimittelagentur Ema nach Auswertung aller Daten befunden; sie gab grünes Licht. Der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, sagte wiederum, dass er eigene Kinder beziehungsweise Enkel zunächst nicht impfen lassen würde. Was machen Eltern mit diesen Informationen?
Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland hat bisher keine Empfehlung zur Impfung für die Fünf- bis Zwölfjährigen erteilt. Man wolle dies aber rechtzeitig vor dem 13. Dezember erledigen, hieß es vonseiten der Kommission. Von einer uneingeschränkten Empfehlung geht die Fachwelt zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus. Ärzte und die Fachverbände rechnen damit, dass die Stiko den Impfstoff zunächst nur für Kinder mit Vorerkrankungen und geschwächter Immunabwehr empfehlen wird. Für eine generelle Empfehlung wartet das Gremium auf internationale Daten, etwa aus den USA und Israel. Dort wurden bereits Millionen Kinder unter zwölf Jahren gegen Corona geimpft.
Bekommen die Kleinen die Erwachsenen-Dosis?
Nein. Kinder unter zwölf Jahren bekommen zehn Mikrogramm, das ist ein Drittel der Erwachsenen-Dosis (30 Mikrogramm). Dafür werden extra kleinere Impfstoffflaschen abgefüllt, die gesondert mit farbigen Deckeln gekennzeichnet sind.
Kinder erkranken in der Regel nur milde an Covid-19 oder zeigen teilweise gar keine Symptome. Andererseits nehmen Infektionen in Schulen und Kitas zu. Ist die Impfung für die Kleinsten überhaupt nötig?
„Der Individualschutz ist bei Kindern aufgrund ihrer in der Regel milden Krankheits-Verläufe nicht als zwingendes Impfargument gegeben“, sagt Kinderarzt Ralph Köllges aus Mönchengladbach. Letztlich sei es in jedem Einzelfall immer eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung. Aber er betont: „Wir wollen und wir werden die Kinder impfen, wenn der Impfstoff zugelassen und auf dem Markt ist. Und wenn die Stiko ihn empfohlen hat.“
Wer ist die erste Anlaufstelle?
Im besten Fall immer der behandelnde Kinderarzt beziehungsweise die Kinderärztin. Er oder sie kennt das Kind häufig vom Babyalter an und weiß um Konstitution und mögliche Vorerkrankungen. Er oder sie kann gemeinsam mit den Eltern alle Vor- und Nachteile einer Impfung für das Kind abwägen.
Impfen Kinderärzte alle Jungen und Mädchen, auch wenn die Stiko zunächst eine eingeschränkte Empfehlung für Kinder mit Vorerkrankungen abgibt?
Nach der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur dürfen Ärzte in Deutschland auch unabhängig von der Stiko-Empfehlung den Impfstoff verimpfen. Kann der
Arzt im Einzelfall eine umfassende Impfaufklärung nachweisen, ist er auch nicht in der Haftung, wenn es später zu einem Impfschaden kommt. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte rät seinen Mitgliedern aber, auf die Stiko-Empfehlung zu warten. Pressesprecher Jacob Maske sagt: „Wir müssen das große Ganze sehen und die Datenauswertung abwarten. Letztlich geht es darum, dass der Nutzen der Impfung für die Kinder größer sein muss als das Risiko.“
Man hört öfters von sogenannten Off-Label-Impfungen. Was ist das?
Off-Label meint die Verabreichung von Medikamenten oder Impfstoffen vor ihrer offiziellen Zulassung. Dies ist Ärztinnen und Ärzten in begründeten Einzelfällen grundsätzlich erlaubt. Allerdings haben sie beim Off-Label-Einsatz solcher Medikamente eine erhöhte Aufklärungspflicht
über mögliche Risiken für Nebenwirkungen und Impfschäden. Im Zweifelsfall müssen sie dies auch später beweisen können. In der Krebstherapie oder bei chronisch Kranken sind Off-LabelMedikationen nicht ungewöhnlich. Auch Corona-Impfungen für Kinder praktizieren manche Ärzte bereits off-label. In diesem Fall wird eine geringere Menge des ErwachsenenImpfstoffs verabreicht. Dieses Vorgehen sei ausdrücklich nicht empfohlen und der Arzt in diesem Fall auch nicht von einer Haftung befreit, mahnte Martin Terhardt, Kinderarzt und Mitglied der Stiko, bei Markus Lanz.
Was ist mit genesenen Kindern? Sollte man sie auch impfen? Und wenn ja, wann nach der Erkrankung?
Die Datenlage zum Immunschutz bei Kindern nach einer durchgemachten Corona-Infektion ist noch recht dünn. „Wir wissen hierzu noch nicht sehr viel bei Kindern, aber alle bisherigen Erkenntnisse deuten hier auf einen sehr robusten Immunschutz hin“, so Köllges. Eine Impfung genesener Kinder hält er – solange die Stiko dies nicht ausdrücklich empfehle – aktuell für nicht angezeigt.
Müssen die Zwölf- bis 18-Jährigen auch irgendwann geboostert werden?
Auch das sei angesichts der Datenlage bisher kein Thema und „weder angedacht noch angezeigt“, so Köllges. Natürlich gebe es immer auch einzelne Ausnahmefälle. Köllges: „Ein leukämiekranker 14-Jähriger, der ein geschwächtes Immunsystem hat, wird natürlich nach individueller Beratung geboostert werden können.“
Dürfen auch andere Fachärzte Kinder impfen?
Ja. Nach dem Masernschutzgesetz dürfen in Deutschland alle approbierten Ärztinnen und Ärzte Schutzimpfungen verabreichen (ausgenommen sind Zahnärztinnen und Zahnärzte). So steht es in den Unterlagen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Wo können unsichere Eltern weitere Informationen bekommen?
Neben dem Arzt/der Ärztin des Vertrauens gibt es wissenschaftlich fundierten Rat im Internet, etwa auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts (www.rki.de), der BZgA (www.bzga. de) oder beim Paul-Ehrlich-Institut (www.pei.de).