Freundlicher Machtwechsel
Kanzler Olaf Scholz ist am Mittwoch ins Kanzleramt eingezogen. Seine Vorgängerin Angela Merkel begibt sich am Nachmittag ein letztes Mal vor die berühmte blaue Wand. Und sagt Adieu.
BERLIN Wie übergibt man ein Kanzleramt? So genau steht das in keinem Protokoll. Angela Merkel und Olaf Scholz regeln das so, wie sie es beide am besten können: Unprätentiös, wenig gefühlig, eher spröde, dafür ehrlich. Vor der blauen Wand im Kanzleramt tritt Merkel am Mittwoch ein letztes Mal auf. Hier, im ersten Stock des Kanzleramts, stand sie mit unzähligen Regierungschefs aus aller Welt und gab Pressekonferenzen. Hier endet ihre Amtszeit nach vier Legislaturperioden.
Merkel wirkt entspannt, nur wenig gerührt. Gewohnt nüchtern wünscht sie ihrem SPD-Nachfolger eine „glückliche Hand“bei der Führung des Landes. Kanzler von Deutschland zu sein sei „eine der schönsten Aufgaben, die es gibt“. Sie wisse „aus eigenem Erleben, dass es ein bewegender Moment ist, in dieses Amt gewählt zu werden“, sagt Merkel direkt an Scholz gerichtet. „Sie erahnen vielleicht, dass es eine spannende, erfüllende Aufgabe ist, auch eine fordernde Aufgabe. Aber wenn man sie mit Freude angeht, ist es vielleicht auch eine der schönsten Aufgaben, die es gibt, für dieses Land Verantwortung zu tragen.“
Scholz wiederum ist voll des Respekts für seine Vorgängerin, würdigt die politischen Verdienste Merkels. „Sie haben Großartiges bewegt.“Gemeinsam hätten auch er und Merkel bereits viele Krisen durchgestanden, darunter die Finanzkrise 2008/09 und die Flüchtlingskrise 2015. Dass dabei stets eine vertrauensvolle Arbeit existiert habe, zeige, „dass wir eine starke, leistungsfähige Demokratie sind, in der es einen großen Konsens gibt zwischen den verantwortlichen Demokraten“.
Dennoch habe Merkel das Land, die Regierung, aber auch das Kanzleramt besonders geprägt. Den Mitarbeitern des Kanzleramts versprach Scholz, anknüpfen zu wollen an „die nordostdeutsche Mentalität, die hier geherrscht“habe: „So viel wird sich da nicht ändern.“Stimmt, dies kann man als Beobachter der knapp fünfzehnminütigen Übergabe bereits beobachten.
Die Koffer Merkels sind schon länger gepackt im Kanzleramt. Aktenberge sind bereits in den letzten Wochen in Richtung Finanzministerium gegangen – als Amtshilfe für das Schließen des Koalitionsvertrags. So gesehen ist der Amtswechsel sehr freundlich abgelaufen. Respekt etwa nötigte vielen AmpelPolitikern bereits der Umgang Merkels mit ihrem Amtsnachfolger ab, den sie beim G20-Treffen in Rom quasi schon vorab auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs gehoben hatte. Uneinigkeit gab es jedoch hinter den Kulissen in den vergangenen Wochen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Merkel und ihr Team hielten und halten die Maßnahmen der Ampel-Koalition für zu lasch, die Rolle von Scholz in diesem Feld blieb ihnen bis zuletzt suspekt.
Dennoch gelingt die Übergabe der Regierungsgeschäfte reibungslos. Merkel selbst sagte in vielen Interviews bereits, sie werde am ersten Tag nach der Amtsübergabe ausschlafen, genießen, dass es keinen Termindruck gibt. Und doch hört man in der letzten Zeit verstärkt, dass man die Alt-Kanzlerin in Berlin-Mitte doch das ein oder andere Mal noch sehen wird. Nicht in der Tagespolitik, aber möglicherweise als Schirmherrin von Organisationen, die ihr am Herzen liegen, als Rednerin, vielleicht auch als Ratgeberin im Hintergrund.
Ihrer Fraktion hatte Merkel am Dienstag bereits geraten: „Seid klug!“. Sie werde auch weiterhin für Fragen zur Verfügung stehen, aber öffentlich keinen Rat geben.
Als Merkel am Mittwochnachmittag dann endgültig das Kanzleramt verlässt, gibt es doch noch einen Gänsehautmoment. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich corona-konform an den Seiten aufgebaut, als Merkel mit Scholz zur großen Glaspforte geht, bilden quasi ein klatschendes Ehrenspalier. Scholz bringt seine Vorgängerin noch zum Ausgang, wo ihr Auto bereits wartet. Und dann schließt sich die Tür hinter Angela Merkel. Das Kanzleramt hat einen neuen Hausherrn.