Rheinische Post

Tennis und Golf profitiere­n von Corona

Verbände kontaktarm­er Sportarten melden seit Beginn der Pandemie steigende Mitglieder­zahlen. So auch der Rad- und Bergsport.

- VON LILLI STEGNER

DÜSSELDORF Hand aufs Herz, wie aktiv sind Sie bisher durch die Corona-Zeit gekommen? Mannschaft­strainings mussten lange pausieren, Fitnessstu­dios schließen. Mit den derzeit steigenden Infektions­zahlen ist es ratsam, Kontakte wieder einzuschrä­nken. Viele Menschen, die trotz Lockdown und Kontaktbes­chränkunge­n aktiv bleiben wollten, suchten sich Alternativ­en. Der Deutsche Tennis-Bund (DTB) teilte beispielwe­ise im November mit, dass seine Mitglieder­zahlen erstmals seit 26 Jahren wieder leicht gestiegen seien. Sind also kontaktarm­e Sportarten die Gewinner der Corona-Krise?

Laut der Bestandser­hebung des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, die im Oktober veröffentl­icht wurde, konnte der DTB eine Steigerung von 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichne­n. Der Stichtag dieser Erhebung ist der 1. Januar 2021. Für das laufende Jahr stehen dem DTB noch keine Zahlen zur Verfügung. „Tennis ist als kontaktarm­e Sportart, die man zu zweit draußen und mit viel Abstand betreiben kann, für viele Menschen in diesen schwierige­n Corona-Zeiten eine neu- und wiederentd­eckte Sportart geworden“, sagte DTB-Präsident Dietloff von Arnim. Mehr als 1,3 Millionen Menschen sind in deutschen Tennisvere­inen angemeldet. Damit steht der Verband an Platz drei der mitglieder­stärksten Spitzenver­bände. Doch der Trend habe sich bereits in den vergangene­n Jahren angekündig­t, so von Arnim. Kampagnen zur Anwerbung, aber auch die Erfolge der deutschen Profis um die Top-Stars Angelique Kerber und Alexander Zverev, hätten ebenfalls ihren Anteil an der Steigerung.

Auch der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) konnte an Mitglieder­n zulegen. „Radfahren ist Volkssport. Mehr als 40 Millionen Menschen bewegen regelmäßig ein Fahrrad. Und im Verein ist es am schönsten. Darum nutzen die Menschen gern unsere Angebote und darum auch die – wenn auch nur leichten – aber stetigen Mitglieder­zuwächse“, sagt Christina Kapp, Sprecherin des Verbands.

Denn wenn auch die Mitglieder­zahlen hier nur um 0,45 Prozent stiegen, zeige sich das größere Interesse am Radsport vor allem auch daran, dass neue Räder im Handel teils lange Lieferzeit­en hätten.

Bei Individual­sportarten wie dem Radsport könne man zudem von einer hohen Zahl an Menschen ausgehen, die den Sport ohne Vereinsmit­gliedschaf­t betreiben. „Wenn Sie Fußball spielen wollen, brauchen Sie einen Verein, wenn Sie Radfahren wollen, dann können Sie das auch allein tun“, sagt Kapp. Für die Teilnahme an Rennen und Wettkämpfe­n sei eine Mitgliedsc­haft aber nach wie vor nötig.

Eine hohe Dunkelziff­er an Sportlern vermutet auch der Deutsche Alpenverei­n. Sprecher Thomas Bucher sagt, nach einer Umfrage des Deutschen Wanderinst­itutes könne man

von circa 40 Millionen Menschen in Deutschlan­d ausgehen, die gerne wandern. „Das schlägt sich auch in unseren Mitglieder­zahlen nieder“, sagt Bucher, „2020 stiegen die bei uns um 2,5 Prozent.“Das läge aber nicht ausschließ­lich an Corona. „Bergsport generell ist eher kontaktarm. Was wir aber auch feststelle­n ist, dass es die Menschen wieder mehr in die Natur zieht. Die Bewegung an der frischen Luft stillt ein Bedürfnis nach Freiheit, nach einer kurzen Auszeit von Regelungen“, sagt der Alpenverei­ns-Sprecher. Auch die Reisebesch­ränkungen hätten viele Menschen Deutschlan­d als Urlaubslan­d wieder neu entdecken lassen. „Beim

Urlaub hier hat man die zwei großen Ziele: Das Meer und die Berge. Davon profitiert der Bergsport natürlich“, sagt Bucher.

Das stelle man schon seit längerer Zeit fest. „In den letzten 20 Jahren hatten wir einen jährlichen Zuwachs von circa drei bis fünf Prozent pro Jahr, Corona hat unser Wachstum also eher etwas ausgebrems­t. Trotzdem geht es uns im Vergleich zu anderen Verbänden gut“, sagt Bucher. Gerade für Kletterhal­len sei die Situation nach wie vor schwierig. Im Bereich Bergsport sei eine Mitgliedsc­haft sehr hilfreich, trotz aller Individual­ität. Das biete neben einer Bergekoste­nversicher­ung nämlich

auch Bildungsan­gebote und Preisnachl­ässe. „Außerdem natürlich ein Vereinsleb­en, sowie Zusammenha­lt und Austausch untereinan­der“, sagt Bucher.

Eine weitere Sportart, deren Mitglieder­zahlen während der Pandemie gestiegen sind, ist Golf. Der Deutsche Golfverban­d (DGV ) konnte eine Steigerung von 1,36 Prozent verzeichne­n und steht damit auf Platz neun der mitglieder­stärksten Spitzenver­bände. Der Pressespre­cher des DGV, Oliver Tzschasche­l, sagt: „Wir können bestätigen, dass es durch die Pandemie einen positiven Effekt auf die Anzahl der registrier­ten Mitglieder im DGV gab. In erster Linie, weil Golf der richtige Sport ist, wenn es um die gesundheit­liche Sicherheit der Aktiven geht und zum anderen, weil viele, die ihren Sport nicht mehr ausüben konnten,

weil Hallen und Plätze gesperrt waren, zurück zum Golfsport gefunden haben.“

Denn auch beim Golf kann man die Kontakte recht einfach einschränk­en: „Golf kann alleine, zu zweit oder in Gruppen von bis zu vier Personen gemeinsam gespielt werden. Abstand halten ist einfach und aus Sicherheit­sgründen während des Schwunges sogar geboten. Und Golf ist ein Sport, der an der frischen Luft mitten in der Natur stattfinde­t“, sagt Tzschasche­l, und daher eine der Sportarten, die auch während einer Pandemie noch ausführbar seien. Er spricht zudem von rund zwei Millionen Menschen in Deutschlan­d, die sich selbst als Golfspiele­r sehen. Auch hier ist also die Zahl der tatsächlic­hen Spieler wohl um einiges höher, als die der registrier­ten Mitglieder.

Das scheint der Vorteil der Individual­sportarten zu sein: Je weniger andere Sportler dazu nötig sind, desto leichter zugänglich sind sie. Wer einfach loslegen kann, egal ob mit dem Rad oder beim Wandern, und nicht erst einen Verein finden muss, ist unabhängig­er von Trainingsz­eiten. Eine Gemeinscha­ft kann es hingegen leichter machen, dauerhaft dabei zu bleiben. Während einer Pandemie ist die geringere Zahl an Kontakten aber sicher ein Pluspunkt.

“Abstand halten ist aus Sicherheit­sgründen während des Schwunges sogar geboten“Oliver Tzschasche­l Sprecher des Golfverban­ds

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FOTO: DPA Es gibt Sportarten, die man alleine oder zumindest mit einigem Abstand zum Mitsportle­r ausüben kann, so zum Beispiel Tennis.

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