Rheinische Post

Zwei Obdachlose auf der Straße erfroren

Beide waren stark unterkühlt ins Krankenhau­s gekommen. Stadt und Hilfsorgan­isationen wollen reagieren.

- VON MARLEN KESS

DÜSSELDORF Innerhalb kurzer Zeit sind in Düsseldorf zwei Obdachlose erfroren. Die Hilfsorgan­isation Fiftyfifty veröffentl­ichte am Mittwoch einen Facebook-Post, in dem um die beiden Männer, die demnach Rudolf und Horst hießen, getrauert wird. Beide Männer waren stark unterkühlt ins Krankenhau­s eingeliefe­rt worden und dort gestorben. Laut Polizei sollen sie obduziert werden, das Ergebnis steht noch aus. Man sei fassungslo­s und traurig, heißt es von Fiftyfifty – und fordere die Politik zum Handeln auf. So sollten etwa Notschlafs­tellen für den Tagesaufen­thalt geöffnet und der Aufenthalt in U-Bahnhöfen erlaubt werden.

Auch die Verwaltung ist betroffen, sagt Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integratio­n, die Männer seien im Hilfesyste­m lange bekannt gewesen. Koch sagt aber auch, dass beide immer wieder auf einen möglichen Aufenthalt in einer Notschlafs­telle aufmerksam gemacht worden seien. Der Winter sei für die ohnehin vulnerable­n Obdachlose­n eine gefährlich­e Zeit – auch, wenn die Temperatur­en noch nicht gen Null gehen. „Tragischer­weise gelingt es uns weiterhin nicht, alle davon zu überzeugen, diese Hilfe

auch anzunehmen“, so Koch. Viele hätten immer noch Angst vor den Notschlafs­tellen, dort etwa beklaut oder in Mehrbettzi­mmern untergebra­cht zu werden. Auch coronabedi­ngt

seien diese aber inzwischen auf Doppelzimm­er-Belegung ausgelegt, am Graf-Adolf-Platz könnten zudem Paare und Obdachlose mit Hunden unterkomme­n.

An den Kapazitäte­n in den Notunterkü­nften hapert es Koch zufolge nicht, das habe man erst am Dienstag bei einer Konferenz von Verwaltung und Hilfsorgan­isationen

sowie sozialen Trägern festgehalt­en. Zudem eröffne Mitte Dezember ein frisch renovierte­s Haus an der Dorotheens­traße, Mitte Januar zudem das Schutzhaus für Frauen nahe dem Hauptbahnh­of. Bei der Konferenz seien aber zwei weitere wichtige Aspekte angesproch­en worden. So könnten schon bald die Öffnungsze­iten der Tagesstätt­en ausgeweite­t werden. Diese sind coronabedi­ngt immer noch im Betrieb eingeschrä­nkt, könnten aber durch eine längere Öffnung mehr Menschen einen warmen Platz bieten. Auch der Bedarf an weiterer Ausrüstung wie Schlafsäck­en und Isomatten werde geprüft.

Zum anderen falle vielen Streetwork­ern auf, dass immer mehr Obdachlose alleine in der Stadt unterwegs sind. Das erhöhe das Risiko, unbemerkt in eine hilflose Lage zu geraten. Oliver Ongaro von Fiftyfifty wundert das nicht: „Wenn große Plätze wie am NRW-Forum geräumt werden, um Ansammlung­en zu vermeiden, dann gehen die Leute eben vermehrt alleine Platte machen.“Auch die Pandemie könnte dazu beigetrage­n haben. Das Problem sieht auch Jürgen Plitt von den Franzfreun­den, der einen der beiden Männer kannte. „Wenn es keinen Kumpel gibt, der im Zweifel hilft, ist die Gefahr in dieser Jahreszeit groß.“Deshalb seien auch Passanten in der Pflicht. Viele seien oft unsicher, was zu tun sei, sagt Ongaro, der rät: „Einfach ansprechen, fragen, ob man helfen oder ein heißes Getränk bringen kann – und im Zweifel die Hilfsorgan­isationen oder direkt den Notruf wählen.“

Ammar Ghouzi, der die Notaufnahm­e der Schön Klinik leitet, war im Dienst, als einer der beiden Männer Ende November eingeliefe­rt wurde. „Seine Körpertemp­eratur lag bei nur 27 Grad“, sagt Ghouzi, „die Kleidung war komplett durchnässt, der Mann ist langsam unterkühlt.“Schon im Rettungswa­gen habe er warme Infusionen bekommen, sei dann aber kurz nach dem Eintreffen in der Klinik gestorben. Ghouzi ist erschütter­t. „Der Mann muss da schon länger hilflos gelegen haben“, sagt der Arzt, „es ist ein gesellscha­ftliches Defizit, wenn Menschen nicht nach links und rechts schauen und an Hilfsbedür­ftigen vorbeigehe­n.“

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FOTO: FIFTYFIFTY An diesem Platz an der Witzelstra­ße in Bilk schlief laut Fiftyfifty der Obdachlose Rudolf, der vergangene Woche im Krankenhau­s starb.

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