Rheinische Post

Rache als einziger Ausweg

Ein Holocaust-Überlebend­er will in „Plan A“an den Deutschen Vergeltung üben.

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Was würdest du tun?“. Diese schlichte, offene Frage steht am Anfang und am Ende des Kinodramas „Plan A“. Sie wird von Max (August Diehl) gestellt, der 1945 als Überlebend­er aus dem Konzentrat­ionslager nach Deutschlan­d zurückkehr­t. Frau, Kind, Vater, Mutter, die ganze Familie wurde von den Nazis ermordet. Wohin mit dem unbändigen Schmerz, der Trauer, der Wut? In tiefer Verzweiflu­ng erscheint Rache als einziger Weg.

Max trifft auf die „Jewish Brigade“– eine in Palästina rekrutiert­e Truppe jüdischer Soldaten in der Britischen Armee. In den ersten Monaten nach dem Krieg spüren die Männer unter dem Radar NS-Verbrecher auf und machen mit ihnen kurzen Prozess. Aber es gibt auch eine Organisati­on aus HolocaustÜ­berlebende­n und polnischen Partisanen, die ein weitaus größeres Rachekonze­pt verfolgt.

„Auge für Auge, Zahn für Zahn“heißt es in der Tora. Für sechs Millionen ermordete Juden sollen sechs Millionen Deutsche sterben. Ein solch monströses Verbrechen wie die Shoah muss adäquat gesühnt werden. Dass ein paar Nazi-Funktionär­e bei den Nürnberger Prozessen verurteilt werden, reicht nicht aus. Das ganze deutsche Volk hat den Holocaust ermöglicht und soll nach dem Willen der Gruppe „Nakam“, der sich Max anschließt, nun die Konsequenz­en tragen. Das Trinkwasse­r in Nürnberg, Frankfurt, München und Hamburg soll mit einem tödlichen Gift versetzt werden.

Während der Anführer Abba Kovner (Ishai Golan) nach Palästina reist, um das Gift zu besorgen, schleusen sich Max, Anna (Sylvia Hoeks) und der Rest der Gruppe als Arbeiter in die Nürnberger Wasserwerk­e

ein. Was die anderen nicht wissen: Max arbeitet für den zionistisc­hen Militär- und Geheimdien­st Hagana, der den Anschlag zu vereiteln versucht, um die Gründung des Staates Israel nicht zu gefährden.

„Plan A“beruht auf wahren Begebenhei­ten. Die israelisch­en Brüder und Regisseure Doron und Yoav Paz setzen diese ungeheure, aber weitgehend unbekannte Geschichte als ebenso spannendes, wie einfühlsam­es Drama in Szene. Die Mitglieder der Gruppe werden hier nicht als blindwütig­e Rächer gezeichnet. Der Anschlagsp­lan entsteht nicht allein aus persönlich­en Traumata, sondern aus der tiefen Sehnsucht nach einer Vergeltung, die das monströse Verbrechen des Holocaust mit einem ebenso monströsen Racheakt auszugleic­hen versucht.

„Plan A“lotet diese Idee vor dem situativen Hintergrun­d des Jahres 1945 und mit seinen moralische­n Widersprüc­hen und Implikatio­nen gründlich aus. Der Anschlag wurde seinerzeit mit der Festnahme Abba Kovners, der das Gift bereits im Rucksack hatte, auf der Überfahrt von Palästina nach Europa verhindert. Am Ende des Films steht die Erkenntnis, dass die eigentlich­e Rache für Juden nach dem Holocaust nicht im Töten besteht. Vielmehr üben sie durch ihr Über- und Weiterlebe­n nicht nur in Deutschlan­d „Vergeltung“.

„Auge für Auge, Zahn für Zahn.“Für sechs Millionen tote Juden sollen sechs Millionen Deutsche sterben

Deutschlan­d/Israel 2021 – Regie: Doron und Yoav Paz, mit August Diehl, Ishai Golan, Sylvia Hoeks; 109 Minuten

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FOTO: EPD August Diehl in „Plan A“.
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