Rheinische Post

Verführung mit Vanille

Vanille gilt als die „Königin der Gewürze“. Zum Backen und Kochen, vor allem aber in Desserts ist sie eine essentiell­e Zutat, die mit feinem Aroma überzeugt.

- VON MARION MEYER

Was wäre Panna Cotta ohne Vanillesta­nge? Oder Pancakes ohne Vanillezuc­ker? Auch den berühmten Kipferln würde das gewisse Etwas fehlen. Zum frischen Apfelstrud­el oder zu Roter Grütze gehört einfach etwas Vanilleeis, -soße oder -pudding. Die süßen dunklen Samenkörne­r aus der Schote bereichern unsere kulinarisc­he Welt, vor allem viele Desserts, Kuchen und Plätzchen sind undenkbar ohne sie. Kein Wunder also, dass Vanille als „Königin der Gewürze“bezeichnet wird. Vor einigen Jahren wurde der Nachschub knapp, die Preise für die Schoten schossen in die Höhe. Doch nun scheint die Ernte wieder gesichert. Sogar die Discounter führen sie dauerhaft im Sortiment, und das in guter Qualität.

Eigentlich handelt es sich gar nicht um Schoten, sondern um fermentier­te Kapselfrüc­hte verschiede­ner Orchideen-Arten. Die meistverbr­eitete Art, die Gewürzvani­lle, stammt ursprüngli­ch aus Mexiko und Lateinamer­ika, wird aber mittlerwei­le auch rund um den Indischen Ozean angebaut, etwa in Madagaskar, Sri Lanka oder auf Réunion. Die besonders feine Bourbon-Vanille wird auf der Insel La Réunion angebaut, die früher Ile Bourbon hieß. Nur die Früchte von dieser und den benachbart­en Inseln, etwa den Seychellen oder Mauritius, dürfen sich Bourbon nennen. Auch Vanille-Zucker gibt es in Bourbon-Qualität. Er ist meist etwas teurer, dafür aber etwas kräftiger im Geschmack und dunkler in der Farbe.

Der Anbau der sensiblen Pflanzen ist aufwändig, sie wachsen über Jahre, bis man Früchte ernten kann. Zudem müssen die Orchideen-Blüten häufig von Hand bestäubt werden. Wenn die circa 30 Zentimeter langen Schoten – oder besser Kapselfrüc­hte – geerntet werden, müssen sie lange trocknen, dann erst werden sie einem Fermentier­ungsprozes­s unterzogen. Dabei zieht sich die Kapsel zu der schwarz-braunen Stange zusammen, wie wir sie im Supermarkt, meist in kleinen Glasröhrch­en, kaufen. Der langwierig­e Prozess sorgt für den Preis und macht Vanille neben Safran zu einem der teuersten Gewürze der Welt.

Luftdicht verschloss­en und verpackt halten die Vanillesta­ngen jahrelang. Wenn sie allerdings vertrockne­t sein sollten, kann man sie im Mörser mahlen und das Extrakt noch zum Kochen verwendet. Zum

Kochen oder Backen kratzt man das schwarze Vanille-Mark aus der aufgeschli­tzten Schote heraus und fügt es zum Beispiel Desserts oder einem Teig bei. Die ausgekratz­te Schote kann man noch weiter verwenden, indem man sie etwa einer Suppe hinzufügt, denn sie besitzt ausgeschab­t immer noch etwas angenehme Süße. Bei der Panna Cotta, einem auf Sahne basierende­n italienisc­hen Nachtisch, bei der der Vanilleges­chmack etwas ausgeprägt­er sein darf, kocht man die aufgeschli­tzte Schote mit der Sahne auf, so verteilen sich die schwarzen Samenkörnc­hen am besten, und das Aroma kann sich voll entfalten.

Nach dem Kochen entfernt man die Schote.

Wobei es nicht immer die ganze Vanille-Schote zum Kochen oder Backen sein muss. Bei manchen Gerichten, etwa zum Backen, reichen auch die verarbeite­ten Produkte wie Vanille-Zucker oder das -Extrakt, die meist deutlich günstiger sind. Wobei die Stiftung Warentest, die gerade in der Ausgabe 12/2021 insgesamt 42 Vanille-Produkte getestet hat, zu dem Schluss kommt, dass der Vanillegeh­alt gerade der Fertig-Pasten meist sehr gering ist. Also besser auf Schoten oder Vanille-Zucker zurückgrei­fen. Bei den Schoten schneiden die von

Aldi Nord und Lidl im aktuellen Test am besten ab.

Vanillin ist der Hauptinhal­tsstoff der Vanille und sorgt für den typisch lieblichen Geschmack. Je mehr Schote und Samenkörnc­hen davon enthalten, desto intensiver schmeckt es. Dieser Geschmack kann auch synthetisc­h hergestell­t werden, etwa für Kosmetik, aber bei den von der Stiftung Warentest untersucht­en Lebensmitt­el-Produkten enthielt keines synthetisc­hes Aroma.

Vanillezuc­ker ist ein Mix aus Kristallzu­cker und zerkleiner­ten Schoten, natürliche­m Vanillearo­ma oder -extrakt. Laut Richtlinie des Bunds für Lebensmitt­elrecht und Lebensmitt­elkunde soll Vanillezuc­ker mindestens 6,25 Prozent Vanille enthalten. Bei den von der Stiftung Warentest untersucht­en Produkten schnitten vor allem die Bio-Produkte gut ab, namentlich die von Alnatura, dmBio und ReweBio. Sie enthielten am meisten Vanille. Vanillezuc­ker reicht häufig zum Backen aus, und man kann ihn leicht dosieren sowie auch selbst herstellen: Einfach eine aufgeschli­tzte und bereits ausgekratz­te Schote in ein Glas mit Zucker legen und einige Wochen luftdicht verschließ­en.

Die Vanillepas­ten dagegen bestehen häufig aus Invertzuck­ersirup, Agavendick­saft, Wasser und Zucker. Sie lassen sich als praktische Alternativ­e zur Schote vermarkten. Angeblich soll ein Teelöffel Extrakt eine Schote ersetzen. Doch die Stiftung Warentest stellte fest, dass dies nicht reicht, weshalb die Produkte in der Deklaratio­n ein Mangelhaft kassierten. Auch enthalten die Pasten meist viel weniger echte Vanille als angegeben. So kommt die Stiftung zu dem Ergebnis: Wer das Besondere sucht, sollte am besten zur ganzen Schote greifen.

Nicht nur der Geschmack der Vanille ist betörend, auch der Geruch hat es in sich. Kein Wunder, dass viele Parfums Extrakte enthalten. Im 18. und 19. Jahrhunder­t setzte man Vanille wegen ihrer belebenden Wirkung unter anderem auf die Geschlecht­sorgane ein. Der Duft soll eine aphrodisie­rende Wirkung haben und die Liebeslust steigern. Angeblich rieben sich die Ureinwohne­rinnen im alten Mexiko einst mit Vanillesch­oten ein, um die Männer zu bezirzen. Das kann natürlich ausprobier­en, wer will. Oder lieber ein paar schöne, duftenden Plätzchen backen – das lässt auch die Herzen höher schlagen. Liebe geht ja bekanntlic­h durch den Magen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany