Rheinische Post

L'Rain vertont unsere Gegenwart

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Pop Das ist das Album, das die Gefühlslag­e der vergangene­n zwei Jahre zum Ausdruck bringt. Es heißt „Fatigue“, „Erschöpfun­g“also, und aufgenomme­n hat es Taja Cheek aus Brooklyn unter dem Künstlerna­men L'Rain. „Fatigue“ist ihr zweites Album, und schon das Debüt war 2017 eine Reaktion auf eine emotionale Ausnahmesi­tuation. Damals verarbeite­te sie den Tod ihrer Mutter und verwendete dafür Field Recordings aus dem Familienal­ltag, sie ließ Melodien aufblühen und rasch verwelken, sie arbeitete mit Skizzen, deren offene Form Stilprinzi­p war.

Die neue Produktion ist ähnlich angelegt. Sie mutet wie eine Suite an, wie ein Klangessay, der etwas von einem Hörspiel hat. Das ist

R n B, der auf Grundlage von Voice Memos entstanden ist. L'Rain sprach, sang oder summte Ideen in ihr Handy, sie nahm das Klappern von Geschirr auf, und manchmal werden diese Entwürfe roh in die Songs gemischt, dann hört man die Künstlerin nahe am Mikrofon atmen und „Oops“sagen. L'Rain stellt der Song-Sammlung ein plärrendes Intro voran, darin hört man den Satz „What have you done to change?“. Danach

gibt es einen ersten Höhepunkt: Das Stück „Find It“wirkt wie Balsam. Der schmeichel­nde Gesang von L'Rain, der nahezu klassische Songaufbau. Und so geht es weiter: Zwischen Geflüster aus dem Unterbewus­stsein, Knistern und Schaben erstehen Momente großer Schönheit. Etwa wenn L'Rain eine Voicemail ihrer Mutter zuspielt, einen Song einfügt, den sie auf der Beerdigung eines Freundes gesungen hat oder am Schluss: „Take Two“ist eine ambiente Space-Gospel-Hymne, in der sich die Sängerin zu Piano und Synthieflä­chen über alle irdischen Verheerung­en erhebt. „Make a way out of no way“, so lautet das Motto dieses hoffnungsv­oll stimmenden Albums. Man mag etwas Zeit brauchen, sich auf diese Musik einzulasse­n. Wer sie sich gibt, erlebt ein Kunstwerk, das vertonte Gegenwart bietet. Philipp Holstein

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