Labore schaffen Schultests nicht mehr
Die Institute sind mit PCR-Tests überlastet. Nun sollen Grundschulen in NRW per Schnelltest herausfinden, welches Kind aus einer Klasse nach positivem Pooltest infiziert ist. Derweil steigt die Zahl der Infektionen in Schulen weiter.
DÜSSELDORF Die Infektionszahlen steigen rasant. Die Zahl der infizierten Schüler hat sich in NRW binnen einer Woche verdoppelt. Nun ist die Auswertung der PCR-Tests für Schulen in den Laboren zum Erliegen gekommen. „Aufgrund der fehlenden PCR-Kapazitäten muss die Landesregierung nun Anpassungen dieses Verfahrens vornehmen, um die Laborkapazitäten für vulnerable Gruppen freizugeben“, erklärte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Dienstagabend.
Zwar sollen an Grund- und Förderschulen weiter Lolli-PCR-Pooltests angewendet werden. Jedoch sollen in Grundschulen nur noch Schnelltests eingesetzt werden, um herauszufinden, welches Kind einer Klasse infiziert ist. „Schüler eines positiv getesteten Pools werden am nächsten Tag zu Unterrichtsbeginn in den Schulen mit Schnelltests getestet“, erklärte das Ministerium. Alternativ könnten Eltern einen Bürgertest vorlegen, damit das Kind wieder zur Schule kann.
Der Hintergrund: Die Tests der Grund- und Förderschüler kommen klassenweise in einen Topf (Pool), der ausgewertet wird. Ist der Pool positiv, weiß man, dass ein Kind der Klasse infiziert ist, aber nicht welches. Dies wurde bislang durch anschließende PCR-Einzeltests ermittelt, was nun nicht mehr möglich ist. Es habe eine Problemanzeige der Labore gegeben, die Schulen und Eltern darüber informiert hätten, dass auch die positiv getesteten Klassen-Pools wegen Überlastung zurzeit nicht mehr durch Einzelproben aufgelöst werden könnten, berichtete das Ministerium.
Die Zeit drängt: Eine Grundschule in Kranenburg (Kreis Kleve) stellte den Präsenzunterricht bereits komplett ein, weil zu viele Klassen einen positiven Test in ihrem Pool hatten.
Wegen der Überlastung der Labore mit PCR-Tests hatten Bund und Länder sich am Montag auf eine Priorisierung verständigt. Nun sollen vorrangig nur noch Beschäftigte aus Kliniken und Heimen sowie Risikopatienten getestet werden. Das kann auch bedeuten, dass Länder auf die Durchführung der Lolli-Tests in Grundschulen und Kitas verzichten. „Die Entscheidungen über die Fortführung von Lolli-Pool-Testungen treffen die in den Bundesländern dafür zuständigen Behörden“, sagte Michael Müller, Chef des Verbands der Akkreditierten Labore
in der Medizin (ALM). In der vergangenen Woche haben die Labore bundesweit 2,4 Millionen PCR-Tests ausgewertet, das sei ein Anstieg um 23 Prozent gegenüber der Vorwoche, so der ALM. Die Auslastung der Labore betrage 95 Prozent und erreiche die Belastungsgrenze. Jeder dritte PCR-Test ist positiv. In der Vorwoche war es jeder vierte. „Eine Priorisierung der Verwendung von PCR-Tests ist sinnvoll“, sagt Müller.
Hugo Stiegler, Leiter des Medizinischen Versorgungszentrums für Labormedizin und Mikrobiologie Ruhr in Essen, fordert die Abschaffung der Pooltests: Die Strategie dieser Tests sei gescheitert. „Wenn aufgrund steigender Infektionszahlen jeder zweite Pooltest positiv ist, müssen die Pools aufgelöst werden, und man hat nichts gewonnen.“Im Gegenteil: Eine Klasse sitzt unnötig lange in Quarantäne fest, bis feststeht, welcher Schüler infiziert ist. „Was nutzt ein Ergebnis 48 bis 72 Stunden später?“, sagt Stiegler.
Scharfe Kritik an den Beschlüssen von Bund und Ländern kam von Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger: „Es ist natürlich ein schreiender Widerspruch, wenn die Politik unisono beteuert, dass das Offenhalten von Schulen oberste Priorität hat, sich aber wie schon so oft zuvor wegduckt, wenn es ganz konkret darum geht, Schüler und Lehrkräfte bei Gesundheitsschutzmaßnahmen zu priorisieren.“
Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung ( VBE), sieht durch den Laborausfall nun viel Ärger und Frust bei Lehrern, Eltern und Schülern: „Diese Situation ist nicht nur nervenaufreibend, sondern sorgt auch für Unterrichtsausfall.“Die Landesregierung sei gefordert, schnellstmöglich eine Lösung zu bieten. „Wer jetzt Tests aussetzt, grenzt betroffene Minderheiten aus“, kritisierte die NRW-Chefin der Landeselternkonferenz, Anke Staar. Damit würden in Schulen tätige vulnerable Gruppen ihrem Schicksal überlassen und billigend schwere Krankheitsverläufe in Kauf genommen.