Polizei räumt Baumhäuser
Umweltschützer wollen ein Waldstück an der Stadtgrenze von Wuppertal zu Haan retten. Ein Kalkwerk will das Areal roden und als Abraumhalde nutzen. Noch bis Ende der Woche sind nun Ordnungskräfte im Großeinsatz.
WUPPERTAL Um 13.15 Uhr spricht der Polizist zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten ins Mikrofon; es ist die letzte Warnung für die Aktivisten, die sich in den Bäumen in provisorischen Behausungen verschanzt haben, aufzugeben. „Verlassen Sie jetzt das Baumhaus. Sollten Sie das nicht machen, werden polizeiliche Maßnahmen erforderlich“, sagt er. „Ende der Durchsage“, schallt es durch den Wald an der Wuppertaler Stadtgrenze zu Haan. Doch niemand kommt der Aufforderung nach, stattdessen sind höhnische Laute und Rufe zu hören. Die Polizei beginnt mit der Räumung der Baumhäuser.
Mit einem Großaufgebot ist die Polizei am Dienstagmorgen in den Wald eingerückt, um ein von Aktivisten besetztes Teilstück zu räumen. Es ist der vorläufige Höhepunkt des Streits um ein rund 5,5 Hektar große Waldstück, der nun schon mehr als zwei Jahre andauert. Es geht um eine geplante Abraumhalde für die Kalkwerke H. Oetelshofen. Beim Kalksteinabbau entstehe Abraummaterial, das aus dem Weg geschafft werden müsse, hatte Kalkwerke-Manager Till Iseke erläutert. Mehrere Versuche, auch unter der Vermittlung des Wuppertaler Oberbürgermeisters Uwe Schneidewind (Grüne) eine andere Lösung für den Abraum zu finden, waren gescheitert. Als Grünen-OB wollte Schneidewind Szenen wie im Hambacher Forst eigentlich vermeiden. „Ich hätte mir das selbst nicht verziehen, wenn man sich nicht alle Optionen intensiv angeschaut hätte“, sagte Schneidewind noch vor der Räumung: „Wir haben viel Energie in den Runden Tisch und die Kommunikation mit dem Kreis Mettmann hineingesteckt, mit den Eigentümern und anderen Unternehmen viele Gesprächsrunden geführt, und es war schon sehr frustrierend, als es hieß, das sei alles nicht machbar.“
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte unserer Redaktion, dass die Polizei durchsetze, was vom höchsten Verwaltungsgericht in NRW beschlossen worden sei. „Ich verstehe, dass es Menschen gibt, die diese Entwicklung beklagen, sich über sie ärgern oder darüber traurig sind. Den Beschluss aber zu missachten, weil einem das Ergebnis
nicht passt, wäre alles – nur nicht rechtsstaatlich“, so Reul.
Um kurz nach 14 Uhr holen Polizisten den ersten Aktivisten aus einem Baumhaus und führen ihn ab. Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete der Grünen, ist vor Ort und beobachtet die Räumung. „Hier protestieren junge Menschen für die Zukunft. Ihr Widerstand ist legitim. Die Rodung des Waldes ist komplett unnötig“, sagt sie. Sie hofft, dass es
noch nicht zu spät ist für die Bäume und alle Beteiligten sich noch auf eine andere Lösung verständigen können. „Diese Maßnahme entspricht nicht dem Zeitgeist und passt nicht zur Klimalage“, sagt sie. Das sieht Norwich Rüße, umweltpolitischer Sprecher der NRW-Grünen, ähnlich. „Angesichts der dramatischen Klima- und Artenkrise ist es schwer nachzuvollziehen, dass ein Stück eines Waldes für die Erweiterung
einer Abraumhalde abgeholzt wird“sagt er. „Eingriffe in Wälder sollten immer eine absolute Ausnahme sein und sämtliche Alternativen vorab intensiv geprüft und bevorzugt genutzt werden“, so Rüße.
In einem Planfeststellungsverfahren waren Vor- und Nachteile der Rodung abgewogen worden; der Beschluss ist auch aus Schneidewinds Sicht absolut sauber. Für ihn geht es bei der Diskussion um das
Waldgebiet auch um einen schwierigen Abwägungsprozess. Auf dem Spiel stünden 100 Arbeitsplätze bei den Kalkwerken, da der Standort ohne Platz für den Abraum bedroht sei. Letztlich sei es aber die aktuelle Gesetzgebung, die diesen Abwägungsprozess verursache. Um so etwas künftig nicht mehr möglich zu machen, müssten „bestehende Regelwerke angepasst werden“. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz gebe es die Möglichkeit, Wettbewerbern aufzuerlegen, gegen eine Entschädigung Abraum zu entsorgen. Dies könne aber nur greifen, wenn es keine Alternative – etwa durch eine Rodung – gebe. „Wenn im Osterholz wirklich gerodet werden sollte, muss das ein Weckruf sein, diese Gesetzesanpassung vorzunehmen“, sagt Schneidewind: „So etwas darf einfach nicht noch einmal passieren.“
Wie viele Aktivisten sich noch in den Baumhäusern aufhielten, konnte die Polizei nicht sagen, schätzte aber, dass es zehn bis 15 gewesen sein dürften. „Wir gehen davon aus, dass wir hier noch bis Ende der Woche beschäftigt sein werden“, so ein Polizist zum weiteren Vorgehen.