AfD-Paukenschlag empört die Union
Der Chef der Werte-Union, Max Otte, wird Kandidat der AfD für das Amt des Bundespräsidenten. Die CDU geht auf die Barrikaden und schließt Otte aus der Partei aus. Von „Schande“und einem „einzigartigen Vorgang“ist die Rede.
BERLIN Die Entscheidung fiel am Abend einstimmig: Die amtierende Unionsführung wirft CDU-Mann Max Otte, der als AfD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten antritt, mit sofortiger Wirkung aus der Partei. Der Chef der konservativen Unions-Splittergruppe Werte-Union habe sich „schwer parteischädigend“verhalten, so Generalsekretär Paul Ziemiak, was „ein sofortiges Eingreifen erforderlich gemacht hat“.
Otte werde damit von der Ausübung seiner Rechte als Parteimitglied bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zuständigen Parteigerichts vorläufig ausgeschlossen, ergänzte Ziemiak. Am frühen Nachmittag war der 57-jährige Otte zusammen mit den beiden AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla vor die Presse getreten. Nervös wirkte der Kandidat. Otte sei ein „honoriger Politiker“, lobte Chrupalla. „Das ist heute ein guter Tag für die Demokratie in Deutschland. Denn wir haben eine Alternative zu den beiden linken Kandidaten um das Amt des Bundespräsidenten.“Otte erklärte, es sei seine individuelle Entscheidung anzutreten, und keine Zusammenarbeit
mit der AfD. „Das Amt steht über den Parteien, so sehe ich es. Die Kandidatur steht über den Parteien.“Auch sei es keine Provokation seinerseits, „es ist mir ernst“. Insofern gebe es keinen Grund für seinen Ausschluss aus der CDU.
In der Union wurde das anders gesehen. Der personelle Paukenschlag sorgte für eine Welle der Empörung in der Partei – und am Abend für die Krisensitzung des amtierenden CDU-Vorstands mit dem Landesverband Nordrhein-Westfalen, aus dem Otte stammt. Es hieß, Otte verstoße gegen zahlreiche Beschlüsse der Partei und verletze die „Loyalitäts- und Solidaritätsverpflichtung als Mitglied gegenüber der CDU“. NRW-Ministerpräsident und CDU-Landeschef Hendrik Wüst sagte unserer Redaktion: „Herr Otte sollte die CDU verlassen. Er hat bei uns nichts verloren.“Die Union stehe für das christliche Menschenbild, für ein freiheitliches und respektvolles Miteinander. „Das, was ich von Herrn Otte wahrnehme, hat nichts mit der CDU zu tun.“
Auch Armin Laschet meldete sich zu Wort, dessen Amtszeit dann endet, wenn die Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Chef per Brief noch einmal bestätigt worden ist, also am 1. Februar. In der Fraktionssitzung der Union sagte Laschet nach Angaben von Teilnehmern: „Das ist ein einzigartiger und außergewöhnlicher Vorgang.“Dann zitierte er dem Vernehmen nach die Satzung der CDU – laut Paragraf 11, Absatz 6, könne „in dringenden und schwerwiegenden Fällen“ein Mitglied ausgeschlossen werden. „Nach meiner Auffassung erfüllt er diesen Tatbestand“, soll Laschet gesagt haben. Zuvor hatte er schon getwittert, das Verhalten Ottes sei ein „Schande“. Auch Friedrich Merz, neuer CDUVorsitzender, äußerte sich, eine öffentliche Stellungnahme vermied er aber. Otte sei ein Mann, der sich schon lange weit entfernt habe von der Union. Man werde ihm zeigen, „dass wir sehr schnell und sehr eindeutig handeln“, so Merz in der Fraktion.
Das ist nun vollzogen. Otte habe mit seiner Kandidatur auch gegen den Beschluss des Parteitages 2018 verstoßen, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gebe werde, hieß es während der Beratungen des Vorstands. Er habe sich sogar mit der Spitze der AfD-Fraktion präsentiert, betonte Ziemiak – und damit seine Solidaritätsverpflichtung gegenüber der CDU verletzt. Die politischen Spielchen der AfD mache man nicht mit und sie zeugten von wenig Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten. Nichtsdestotrotz zeigte man sich in den anderen Parteien beunruhigt angesichts der Vorgänge: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte unserer Redaktion, falls es in der Bundesversammlung am 13. Februar mehr Stimmen für einen Kandidaten Otte gebe, als die AfD Wahlleute habe, „wäre das ein Schaden, der weit über die CDU hinausreicht“, so Kühnert. Darauf zielt die Nominierung der AfD wohl ab. Das Manöver, einen wertkonservativen CDU-Mann zu nominieren, ist allerdings auch intern umstritten gewesen. Bei einer Telefonschaltkonferenz von AfD-Bundesvorstand und Landesvorsitzenden am Montagabend soll es eine kontroverse Diskussion und Gegenstimmen gegeben haben. Am Ende setzte sich die Fraktionsführung durch.
Nun wird bei der Bundesversammlung genau gezählt werden, wie viele Stimmen der Ökonom Otte, der schon länger als AfD-nah gilt, bekommen wird – falls er bis dahin durchhält. Unzufriedene in den Reihen der Union gibt es durchaus, weil CDU/CSU ohne eigenen Kandidaten ins Rennen gehen und Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier unterstützen wollen. Die AfD kommt auf 152 von 1472 Sitzen in der Bundesversammlung. Eine Chance, zum Präsidenten gewählt zu werden, hat Otte also nicht.