Von Rosamunde Pilcher zurück zu Beethoven
Das Horn gilt als romantisches Wehmutsinstrument. Doch auch die Komponisten der Klassik brachten es herrlich zum Klingen.
DÜSSELDORF Der Philosoph Theodor W. Adorno schrieb oft und kenntnisreich über Musik. Von Tuten und Blasen hatte er tatsächlich Ahnung. Doch über die wohl berühmteste Horn-Melodie des Orchesterrepertoires, die sich im langsamen Satz von Tschaikowskis 5. Symphonie e-Moll aussingt, schrieb er irgendwie unzuständig, es handle sich um „Kitsch“. Zur Begründung listete er seine Assoziationen auf: „Sonnige Mondnacht (!) an der Krim, Garten des Generals, helle Wolken, Bank unter Rosen“. Kann man so schreiben. Kann man aber auch ganz anders werten – nämlich psychologisch, als Ruhe vor dem Sturm.
Jedenfalls ist das Horn womöglich das romantische Instrument schlechthin, und noch heute spielt es eine Rolle als Stimmungsmacher, wenn bei Rosamunde Pilcher junge, verwirrte Liebende auf den Felsenklippen
von Cornwall ihre ersten Küsse austauschen. Es intoniert die Waldeinsamkeit, protzt bei der Hubertusjagd, es stimmt die heroischsten Momente in Wagners „Ring“an.
Hornisten wissen allerdings, dass das Horn ein sensibles Instrument ist, weil die Töne mitunter nicht ordentlich ansprechen und kieksen, also mehr oder weniger zart detonieren. In Bachs h-Moll-Messe spielt der Hornist nur in einer einzigen Arie mit, die es in sich hat. Wenn er die versemmelt, hat er in diesem Konzert keine Gelegenheit zur Rehabilitation mehr.
Schon früh gab es allerdings Spezialisten, etwa Giovanni Punto (1746–1801), der aus Böhmen stammte und einen italienischen Künstlernamen führte. Damals wurde er weithin verehrt, auch Beethoven schätzte ihn über alle Maßen. Für Punto komponierte er seine Horn-Sonate, die jedoch erst kurz vor der Aufführung fertig wurde, wie sein Schüler Ferdinand Ries schrieb: „Den Tag vor der Aufführung begann Beethoven die Arbeit, und beim Concerte war sie fertig.“
Diese Horn-Sonate kann man nun auf einer ganz und gar prachtvollen CD (bei Harmonia Mundi) hören, auf der der niederländische Naturhornist Teunis van der Zwart mit dem Hammerklavier-Spezialisten Alexander Melnikov seine wehen, strammen, martialischen, poetischen und immer höchst schönen Töne ausbreitet. Das ist wirklich 1aMusik, keine Meterware. Auch die Horn-Sonate aus Ries` Feder ist ein feines Werk (aus dessen Finale möglicherweise die Melodie von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“geborgt wurde).
Van der Zwart demonstriert, dass das Naturhorn nicht etwa ein schwachbrüstiger Vorläufer ist, sondern zu vielen Nuancen fähig ist. Unterschiede zum Ventilhorn gehören in den Bereich der physikalischen Akustik; trotzdem hört jedermann, dass es auf dem Naturhorn in der chromatischen Skala eben doch klangliche Unterschiede gibt. Aber sie sind ungemein apart.
Abgerundet wird die CD durch Puntos eigenes Horn-Konzert (in der Fassung mit Klavier) und die Horn-Sonate des Bläserspezialisten Franz Danzi. Adorno hätte diese Platte vermutlich geliebt. Wir lieben sie auch.