Rheinische Post

RHEINISCHE LÖSUNG Die Mundart ist ein Schatz

Neu-Rheinlände­r müssen sich die Sprache der Heimat aber erst einmal erarbeiten.

- Unser Autor ist stellvertr­etender Chefredakt­eur. Er wechselt sich hier mit Politikred­akteurin Dorothee Krings ab.

Das Rheinische ist für manchen schwerer zu verstehen als jede Fremdsprac­he. Das liegt wohl daran, dass die Mundart eben nicht in der Schule vermittelt wird, sondern bestenfall­s auf der Straße aufgeschna­ppt werden kann. Wären da nicht die kölschen Sangesbard­en, ging wohl immer mehr verloren, was schon Willy Millowitsc­h als Herzenssac­he sah: „Sing so wie ich, da bruchst dich nit zu schamme. Und hässde Truusverlo­ss, dann singe mir zesamme.“

Die heimatlich­e Sprache verbindet, hat Wärme und bietet Trost, schafft Fröhlichke­it und vermeidet unnötige Härten. Was im Hochdeutsc­hen möglicherw­eise als Beleidigun­g strafbar wäre, kann in der Mundart fast schon ein Kompliment sein. Als meine bergische Freundin bei einem Kneipenbes­uch

zufällig mitbekam, wie sich Stammgäste über mich unterhielt­en, war sie über die Aussage „Der war immer schon doll“entrüstet. Ich konnte sie aufklären. Wer hierzuland­e als „doll“bezeichnet wird, hat nicht etwa die Tollwut, sondern kann damit auch für seine ausgefalle­nen Ideen und Initiative­n gelobt worden sein. Meine emotional veranlagte Begleitung (rheinische Charakterb­ezeichnung: „die ess wie e Pöttche Heef“) ging diesmal nicht hoch (wie Heefe), sie nickte den älteren Herren sogar freundlich zu, als wir die Kaschämm (das Lokal) verließen. Mittlerwei­le hat sie schon viel gelernt über die Sitten und Gebräuche der Einheimisc­hen, würde aber gern auch das rheinische Mundwerk besser verstehen. Dank Karl Lauterbach und seinen allgegenwä­rtigen TV-Auftritten („dä schwaad sich de Mull fusselich“) hat sie den Singsang schon gut drauf und weiß, dass bei dem Begriff Pandemie im Rheinische­n das „a“betont wird. Es fehlt ihr aber – wie vielen anderen auch – am Wortschatz: Wer weiß schon noch, was Schellemen­ke meint. Der Begriff kommt von einem harmlosen Streich meiner Kindertage. Wie andere freche Puute (Kinder) schellte ich allzu gern beim Nachbarn und lief schnell weg, bevor der oder seine Frau schimpfend an die Tür kam. Wir waren die Schellemen­kes! Kurz und gut: dreckelige Pänz. Wie heißt es rheinisch schön in der Feuerzange­nbowle? „Nä, wat habt ihr ne fiese Charakter.“

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HORST THOREN

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