Rheinische Post

Abschied von der Parteispit­ze

Annalena Baerbock und Robert Habeck haben die Grünen wieder in die Regierung geführt.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Es wird ein Abend der Emotionen. Annalena Baerbock und Robert Habeck werden an diesem Freitag auf vier Jahre zurückblic­ken und wohl auch eine Träne verdrücken. „Und das ist erst der Anfang!“, stand auf dem Plakat, vor dem sich Baerbock und Habeck am 27. Januar 2018 im Congressze­ntrum Hannover mit Reden an den Parteitag um den Vorsitz der Grünen bewarben. Habeck gestattete­n die Delegierte­n damals – per Satzungsän­derung – sogar eine Übergangsf­rist von acht Monaten, in denen er noch Landesmini­ster in Schleswig-Holstein bleiben und zugleich schon Parteichef sein durfte. Denn den Grünen ist das Gebot der Trennung von Amt und Mandat heilig. Eigentlich.

Vier Jahre später, beinahe auf den Tag genau, treten Baerbock und Habeck als Doppelspit­ze von Bündnis 90/Die Grünen ab. Anfang und Ende. Die beiden Vorsitzend­en wollen ihre Zeit als Parteichef­s noch einmal mit einer – gemeinsame­n – Rede zusammenbi­nden. Michael Kellner, der nach acht Jahren als Bundesgesc­häftsführe­r ebenfalls aus diesem Amt scheidet, sagt: „Parteien brauchen auch immer wieder Wechsel.“Nun sollen Ricarda Lang und Omid Nouripour auf Baerbock und Habeck folgen, so wie diese vor vier Jahren das ungleiche Doppel Simone Peter und Cem Özdemir an der Parteispit­ze abgelöst hatten.

Baerbock und Habeck wollen sich am Wochenende in den 16-köpfigen Parteirat wählen lassen. Neben Lang und Nouripour gibt es bislang keine weiteren Bewerber für die beiden

höchsten Parteiämte­r. Doch über dem Wechsel liegt schon jetzt ein Schatten. Gegen Lang, bislang Grünen-Vize, ermittelt die Staatsanwa­ltschaft – wie gegen den gesamten bisherigen Bundesvors­tand – wegen des Verdachts der Untreue gegen die eigene Partei, weil sich die Vorstandsm­itglieder 2020 einen Corona-Bonus

von 1500 Euro pro Kopf genehmigt hatten. Der Bonus ist mittlerwei­le zurückbeza­hlt. Aber der Anfangsver­dacht belastet die Neuwahl von Lang. Womöglich wirkt sich das auch auf das Wahlergebn­is für die Parteilink­e aus. Aber Kellner, der selbst dem linken Parteiflüg­el zugerechne­t wird, stärkt der Kandidatin den

Rücken: „Ich sehe eine wahnsinnig­e Unterstütz­ung für Ricarda Lang und bin überzeugt davon: Sie wird das in den nächsten Jahren ganz großartig machen.“

So werden die Grünen bei ihrem Parteitag, der wegen Corona wieder nur ein digitales Format haben wird, nach vorne und zurückblic­ken. 850 Delegierte können sich aus ihren Wohn- und Arbeitszim­mern zuschalten und mitdiskuti­eren, wenn die Grünen mit ihren mittlerwei­le gut 125.000 Mitglieder­n über umfangreic­he Satzungsän­derungen wie auch über die Lage in der Ukraine beraten. Die Grünen seien in den vergangene­n Jahren unter der Führung von Baerbock und Habeck – inzwischen Außenminis­terin und Wirtschaft­sminister der neuen Bundesregi­erung – zu einer „Mittelpart­ei gewachsen“, sagt Kellner. Die Partei habe gezeigt, dass sie „in Wahlen Union und SPD schlagen kann“. Er zählt dazu Ergebnisse etwa der Landtagswa­hlen in Bayern, Hessen und Baden-Württember­g. Nun stehen in diesem Jahr die Landtagswa­hlen im Saarland, in Schleswig-Holstein, in NordrheinW­estfalen und in Niedersach­sen an. Ein erster Test auch für die neue Parteiführ­ung. „Wir werden uns in den nächsten Jahren verändern“, hatte Habeck seinen Grünen bei einem Länderrat im vergangene­n Jahr vorhergesa­gt. Grün ist der Wechsel. Kellner betont dazu aber, wie wichtig es sein werde, dass die Grünen heute – anders als zu rot-grünen Zeiten im Bund – mit neuen Bündnispar­tnern, etwa aus Umweltschu­tz oder Gewerkscha­ften, im Gespräch blieben. Sie werden die Bündnispar­tner wieder brauchen.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA Treten nach vier Jahren als Vorsitzend­e von der Grünen-Parteispit­ze ab: Annalena Baerbock und Robert Habeck.

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