Wirtschaftspolitik mit grünem Anstrich
BERLIN Schafft der neue, grüne Minister Robert Habeck den Neustart der deutschen Wirtschaftspolitik? Für frischen Wind im Jahreswirtschaftsbericht (JWB) der Bundesregierung, den es bereits seit 1967 gibt, hat der scheidende GrünenChef jedenfalls schon gesorgt: Die Politik solle künftig darauf zielen, Wirtschaftswachstum und CO2-Ausstoß zu entkoppeln, heißt es darin.
Bei der Entkoppelung des Wachstums vom Treibhausgasausstoß habe es in den vergangenen 30 Jahren
zwar bereits gute Fortschritte gegeben, aber sie seien noch nicht groß genug, sagte Habeck am Mittwoch bei der Vorstellung seines ersten JWB. Die Bekämpfung des Klimawandels sei eine „Jahrhundertaufgabe“, heißt es in dem Bericht, dessen Entwurf unmittelbar nach Habecks Amtsübernahme grundlegend überarbeitet worden ist.
Und die Neufassung hat es in sich: Die soziale Marktwirtschaft will der neue Minister in eine sozial-ökologische umbauen. „Unsere Wirtschaftsordnung muss die Interessen künftiger Generationen und den
Schutz globaler Umweltgüter systematischer und deutlich verlässlicher berücksichtigen“, steht im JWB, den das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat.
In der sozial-ökologischen Marktwirtschaft gehe es um eine differenzierte Betrachtung von Ressourcenverbrauch und Wachstum, argumentierte Habeck. „Insbesondere gilt es, die Negativeffekte des Wirtschaftens stärker in den Blick zu nehmen und zu adressieren. Wir dürfen kein Wirtschaften mehr fördern, das zu fossilem Energieverbrauch, Umweltzerstörung und sozialer Ungerechtigkeit beiträgt.“
Habeck bekannte sich aber grundsätzlich zum System der Marktwirtschaft. „Wenn wir auf die Idee des Wachstums verzichten, verzichten wir auf Fortschritt, das wollen wir nicht“, sagte der neue grüne Wirtschaftsminister. Einen Bericht, wonach Finanzminister Christian Lindner (FDP) Passagen des gemeinsamen Regierungsberichts entschärft habe, wies er zurück.
Konkret rechnet Habeck 2022 mit einem Wachstum von 3,6 Prozent, bisher hatte die Regierung 4,1 Prozent erwartet. Der Aufschwung soll im Frühjahr kommen, wenn der Höhepunkt der Omikron-Welle vorüber ist. Das Vorkrisenniveau von 2019 soll die Wirtschaft in diesem Frühjahr wieder erreichen. Die Bundesregierung geht allerdings von einem schwachen Start ins noch junge, neue Jahr aus. Ein Bremsfaktor könnte die Inflation sein. Habeck rechnet 2022 mit einer Teuerungsrate von 3,3 Prozent – nach 3,1 Prozent 2021. Preistreibender Faktor bleiben demnach Lieferengpässe, etwa bei Halbleitern. Hier sei erst im Jahresverlauf wieder mit einer Entspannung zu rechnen.