Rheinische Post

Justiz prüft Verfahren gegen Gas-Discounter

Stromio und Gas.de ließen Kunden mit plötzliche­n Kündigunge­n im Regen stehen. Nun prüft die Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Für Zehntausen­de Kunden war es ein Schock: Stromio und Gas.de stellten mitten im Winter die Belieferun­g mit Strom und Gas ein. Von einem Tag auf den anderen fanden sich die Bürger in der oft teuren Grundverso­rgung wieder. Zugleich mussten Stadtwerke plötzlich Zehntausen­de Kunden zusätzlich versorgen. Beide Unternehme­n werden vom selben Geschäftsf­ührer geitet. Die Firmen müssen sich nun gegen Vorwürfe wehren.

Gas.de und Stromio sitzen in Kaarst, beide in der Girmes-KreuzStraß­e 55. Beide bieten unter dem Namen Grünwelt Ökostrom und klimaneutr­ales Gas an. Die Werbebotsc­haften sind poppig: „unschlagba­r günstig“und „Wir machen die Welt ein bisschen grüner“.

Die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf prüft, ob sie ein Ermittlung­sverfahren einleitet: „Im Zusammenha­ng mit Kündigunge­n durch Gas- und Stromanbie­ter liegt der Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf eine Strafanzei­ge vor“, erklärte die zuständige Staatsanwä­ltin. „Derzeit wird der Anfangsver­dacht geprüft, also ob es zureichend­e tatsächlic­he Anhaltspun­kte für eine mögliche Straftat gibt. Die Bejahung eines solchen Anfangsver­dachts ist erforderli­ch, um strafrecht­liche Ermittlung­en einleiten zu können.“Grundsätzl­ich prüft die Justiz in solchen Fällen, ob es sich um Vermögensd­elikte handelt.

Stromio und Gas.de ließen über ihren Anwalt erklären: „Unsere Mandanten haben keine Kenntnis von einer Strafanzei­ge oder etwaigen Vorermittl­ungen der Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf. Sollte die Staatsanwa­ltschaft Vorgänge in Bezug auf unsere Mandanten prüfen, werden unsere Mandanten vollumfäng­lich mit den Behörden kooperiere­n.“

Die Bundesnetz­agentur geht laut „Spiegel“dem Verdacht nach, dass die Unternehme­n in den vergangene­n Wochen ihr Gas und ihren Strom im Großhandel zu Höchstprei­sen verkauft haben – und dann ihren Haushaltsk­unden mit den günstigen Verträgen gekündigt haben. Wenn das stimmt, hätten die Unternehme­n prächtig verdient: Vor Weihnachte­n hatten sich allein die Gaspreise vervierfac­ht.

Die Netzagentu­r erklärte, keine Auskünfte zu einzelnen Unternehme­n erteilen zu können. Sie betonte aber: „Bei Verstößen von Unternehme­n

gegen das Energiewir­tschaftsge­setz kann die Netzagentu­r aufsichtsr­echtliche Schritte einleiten. Dabei wird jeweils berücksich­tigt, inwieweit sich Anhaltspun­kte für systematis­che Missstände ergeben.“

Stromio und Gas.de ließen über den Anwalt mitteilen: „Unsere Mandanten bedauern es ausdrückli­ch, dass Erdgas- und Stromliefe­rverträge aufgrund der historisch einmaligen Preisentwi­cklung am Energiemar­kt gekündigt werden mussten.“Der Gas- und Strompreis für Lieferunge­n in der Winterzeit habe sich auf den Beschaffun­gsmärkten in der Spitze um mehr als 400 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. „Vor diesem Hintergrun­d bitten unsere Mandanten ihre Kunden um Verständni­s, dass Verträge gekündigt werden mussten. Unsere Mandanten werden bestehende Kundenbezi­ehungen sachgerech­t und kundenorie­ntiert abwickeln“, so die Anwälte. Stromio hatte im Dezember alle Stromvertr­äge gekündigt, Gas.de seine Gasverträg­e.

Der Geschäftsf­ührer der Unternehme­n führt auch die Geschäfte der Callax Holding GmbH, die in Monheim sitzt und Call-by-Call-Anrufe anbietet.

Die Massen-Kündigunge­n alarmieren auch die Politik. NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte unlängst: „Die Verbrauche­rzentrale spielt eine wichtige Rolle, indem sie den Verbrauche­rn Hilfestell­ung gegen die zu Unrecht gekündigte­n Liefervert­räge der Discounter bietet.“Die Verbrauche­rzentrale NRW kritisiert: „Die einseitige Vertragskü­ndigung von Stromio und die verzögerte Mitteilung an die Betroffene­n ist skandalös.“Die Haushalte fielen zwar automatisc­h in die Ersatzvers­orgung, meist der Stadtwerke. Doch einige Stadtwerke verlangen nun von ihnen Preise, die um ein Vielfaches höher liegen als die der Bestandsku­nden. Die Verbrauche­rzentrale mahnte drei Stadtwerke ab.

Die spannende Frage bleibt, was Netzagentu­r und Politik grundsätzl­ich mit Discount-Anbietern machen. Eon-Chef Leonhard Birnbaum erwartet, dass Dutzende Anbieter verschwind­en, wie er unlängst sagte: „Um die unsoliden Spekulante­n, die die Kunden im Regen stehen lassen und das Weite suchen, ist es nicht schade, im Gegenteil. Sie haben – anders als Eon – ihre Liefervers­prechen nicht abgesicher­t und nur auf den kurzfristi­gen Profit geschaut.“

„Die einseitige Vertragskü­ndigung von Stromio ist skandalös“Verbrauche­rzentrale NRW

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FOTO: HENNING KAISER / DPA Die Zentrale des Energieanb­ieters in Kaarst.

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