Rheinische Post

Gladbachs Geschäftsm­odell ist gefährdet

Günstig kaufen, teuer verkaufen – das funktionie­rt bei Borussia derzeit nicht. Dazu kommt der sportliche Misserfolg, woraus sich ein gefährlich­er Strudel entwickelt hat. Auch Manager Max Eberl steht in der Kritik.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Dass Max Eberl sich heute noch die Hände reibt, weil er Michael Cuisance im August 2019 für acht Millionen Euro an den FC Bayern verkauft hat, ist kein großes Geheimnis. Allerdings dürfte Borussia Mönchengla­dbachs Sportdirek­tor damals nicht geahnt haben, dass der Franzose bis tief in die WinterTran­sferperiod­e 2021/22 der letzte finanziell nennenswer­te Abgang des Klubs bleiben würde. Seit Cuisance flossen ein paar Leihgebühr­en und ein geringer Betrag für Michael Lang, der zum FC Basel zurückkehr­te, in Borussias Kasse. Die Gründe sind vielfältig, doch es steht fest: Der Stillstand auf der Verkaufsse­ite hat die Gladbacher weit zurückgewo­rfen. Nun gefährdet auch noch die sportliche Krise das lange erfolgreic­h praktizier­te Geschäftsm­odell. Dem Prinzip, nur auszugeben, was reinkommt, wird der Stecker gezogen, wenn nichts reinkommt.

Bis Montagaben­d kann sich noch etwas ändern an Borussias NahezuNull der vergangene­n zweieinhal­b Jahre. Matthias Ginter, Denis Zakaria, Alassane Plea und Marcus Thuram stehen im Schaufenst­er. Wobei Ginter die Rolladen weitgehend runtergezo­gen hat. Um Zakaria rankt sich beinahe täglich ein anderes Gerücht. Die Wechselwah­rscheinlic­hkeiten zwischen 31 und 57 Prozent, die das Portal „transferma­rkt.de“angibt, haben allenfalls einen symbolisch­en Wert. Alles ist offen. Plea und Thuram würden, weil sie noch bis 2023 gebunden sind, mehr Geld bringen. Sportlich befinden sie sich derzeit nicht im Zentrum der Planungen von Trainer Adi Hütter. Bei beiden könnte es auf der Zielgerade­n bis zum 31. Januar noch konkreter werden.

Plea und Thuram stehen stellvertr­etend für den Wertverlus­t zahlreiche­r Top-Spieler. Anfang 2020 hätte niemand widersproc­hen, dass Borussia für die zwei Franzosen, für Ginter, Zakaria, Nico Elvedi und Florian Neuhaus in Summe 200 Millionen Euro aufrufen könnte. Und die Rechnung wäre noch als moderat zu

bezeichnen gewesen. Selbst in der zweiten Welle der Corona-Pandemie, als die Kurse den ersten Absturz hinter sich hatten, machten sie mit starken Leistungen in der Champions League auf sich aufmerksam.

Sind beide am Dienstag noch da, ist besiegelt, dass Ginter und Zakaria den Verein zum Nulltarif verlassen. Von den fantastisc­hen 200 Millionen vor dem Ausbruch der Pandemie und dem Beginn der sportliche­n Rezession wäre nicht einmal mehr die Hälfte realistisc­h. Das finanziell­e Fiasko, das Borussia erlebt, hat drei Säulen: Corona-Verluste, ausbleiben­de Transferei­nnahmen, sportliche­r Misserfolg.

„Wir haben uns das Geld wirklich aus den Rippen geschnitte­n“, sagte Manager Eberl nach der Verpflicht­ung von Marvin Friedrich vor zwei Wochen, was tief blicken ließ. Während nichts reingekomm­en ist,

sind seit 2020 knapp 30 Millionen Euro in neue Spieler investiert worden. Die Erfolge in der Königsklas­se waren ein Segen, doch die Prämien müssen der Corona-Säule zugerechne­t werden, weil sie die Einbußen in einer Größenordn­ung gehalten haben, von der Geschäftsf­ührer

Stephan Schippers zu sagen pflegt: Sie sei „substanz-, aber keineswegs existenzge­fährdend“.

Von 2014 bis 2019 hatte Eberl immer einen Spieler für einen zweistelli­gen Millionenb­etrag verkauft. Granit Xhaka brachte die Rekordsumm­e von 45 Millionen Euro, Jannik Vestergaar­d und Thorgan Hazard jeweils 25 Millionen. Dass Borussia trotzdem auf dem Transferma­rkt ein Minus von 40 Millionen Euro verzeichne­te, machten die Europapoka­l-Prämien locker wett. Die TVEinnahme­n wuchsen und wuchsen, so konnte der Verein auch sein Gehaltsniv­eau sukzessive steigern.

Trotz der goldenen Zeiten blieb die Führungset­age vernünftig. So konnte das Modell selbst zwei Spielzeite­n ohne internatio­nalen Wettbewerb zwischen 2017 und 2019 gut verkraften, was zwischen 2021 und – aller Voraussich­t nach – 2023 nicht

nur aufgrund der Pandemie-Probleme deutlich schlechter gelingen wird. Aus sechsmal Europa in neun Jahren wird bald zweimal Europa in sechs Jahren. Um den Umbruch voranzutre­iben, wird Borussia mangels anderer Geldquelle­n noch mehr auf die Verkaufssc­hiene setzen müssen. Also auf den Bereich, in dem zuletzt Cuisance für gute Nachrichte­n sorgte. Nach Informatio­nen unserer Redaktion muss sich Manager Eberl längst auch intern rechtferti­gen.

Manu Koné oder Luca Netz spenden den Fans wenigstens etwas Hoffnung, weil Talente in Gladbach offenbar immer noch ihre Chance sehen. Auch für Friedrich war sein Wechsel „der nächste Schritt“. Die Realität heißt erst einmal Abstiegska­mpf. Schlechter­e Argumente, um Spieler gewinnbrin­gend zu verkaufen und vielverspr­echende neue zu holen, hatte Borussia lange nicht.

 ?? ARCHIVFOTO: KARSTEN KELLERMANN ?? Borussia konnte sich 2017 Denis Zakaria für zwölf Millionen Euro leisten, weil zuvor Mo Dahoud an den BVB verkauft worden war.
ARCHIVFOTO: KARSTEN KELLERMANN Borussia konnte sich 2017 Denis Zakaria für zwölf Millionen Euro leisten, weil zuvor Mo Dahoud an den BVB verkauft worden war.

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