Rheinische Post

Eine politische Sinfonie

Das Theaterens­emble um Nicoleta Esinencu tritt im Forum Freies Theater auf.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Die Ausbeutung von Arbeitskrä­ften, illegale Beschäftig­ung und das Paradox einer gegenseiti­gen Abhängigke­it zwischen West- und Osteuropa: gewichtige Themen, die Nicoleta Esinencu schon lange umtreiben und die sie in ihrem neuen Stück „Sinfonie des Fortschrit­ts“bearbeitet. Das bringt die Dramaturgi­n am Freitag, 28., und Samstag, 29. Januar, mit ihrem Ensemble auf die Bühne des Forum Freies Theater (FFT).

Journalist­en hätten ihr das Etikett „die wütende Frau aus Moldawien“angeheftet, stellt sie fest und wundert sich: „Seit Jahren höre ich das immer wieder, und ich frage mich, wie kommen die da drauf?“. Wütend zu sein sei wohl eher so ein Männerding, stellt sie klar. Sie hat es sich vielmehr zur Aufgabe gemacht, den Finger in offene Wunden zu legen, indem sie das Publikum mit Tatsachen konfrontie­rt, vor dem es gern Augen und Ohren verschließ­t; dieses immer mehr, schneller, größer, als Motor eines kapitalist­ischen Systems auf Kosten sozialer Gerechtigk­eit. Wenn die Kritiker meinen, sie sei deshalb wütend, „soll`s mir recht sein“, sagt sie achselzuck­end.

Der Lockdown im vergangene­n Jahr mit geschlosse­nen Grenzen habe mehr als deutlich gemacht, wie abhängig westliche Gesellscha­ften

von billigen osteuropäi­schen Arbeitskrä­ften seien. Vom Spargelste­cher und Erdbeerpfl­ücker bis zum Arbeiter in Fleischfab­riken, überall werden Saisonkräf­te gebraucht, mies bezahlt und noch mieser behandelt. Dagegen spiele das Kollektiv in „Sinfonie des Fortschrit­ts“mit Texten und Soundkolla­gen an. Mit Ersteren wird das Publikum in Russisch und moldawisch­em Rumänisch konfrontie­rt, übertitelt mit deutschen und englischen Übersetzun­gen. Das aktuelle Stück setzt thematisch da an, wo Esinencu 2019 mit „Requiem für Europa“aufhörte. Eine Performanc­e, in die Interviews mit moldawisch­en Saisonarbe­itern und Studien zur Armut einflossen.

Das Ensemble ist derzeit ohne feste Spielstätt­e in seiner Heimat. In Moldawiens Hauptstadt Chisinau betrieben sie elf Jahre lang ein kleines Theater mit Bar, das sie aufgeben mussten, weil es dafür keine Förderung gab. Ihr größter Wunsch wäre, nicht nur mit ihrem Stück durch Europa touren zu müssen, sondern wieder im eigenen Haus auftreten zu können.

„Sinfonie des Fortschrit­ts“ist am 28. und 29. Januar im Forum Freies Theater zu sehen. Beginn: jeweils 20 Uhr. Tickets und Infos gibt es online unter www.fft-duesseldor­f.de.

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FOTO: MAZUR „Sinfonie des Fortschrit­ts“befasst sich mit sozialer Gerechtigk­eit. Info

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